Gedanken zu geochemischen Barrieren gegen Radionuklidwanderung


Einleitung

Die Gesellschaft ist mithilfe des Internets (global brain) dabei, die IntegritŠt der Wissenschaft in einigen Disziplinen zu hinterfragen und damit ins Bewusstsein zu bringen. Bekannt sind Beispiele aus der

  1. Medizin,
  2. Klima-Forschung.


Zeitgenšssische Wegbereiter einer sochen Selbstkorrektur der Gesellschaft waren u.a. die Kritiker des geplanten Endlagers in Gorleben. 


Unsere Vorstellungen von der Ausbreitung von Radionukliden aus einem Endlager beruhen auf Szenarien und Rechenmodellen, die u.a. geochemische Barrieren betreffen. 


Es ist eine offene Frage, ob diese Szenarien und Modelle relevant sind und ob sie die Geschehnisse ausreichend abbilden.


Radionuklidwanderung unter dem Einfluss geochemischer Prozesse

Geochemsche Prozesse tragen wesentlich zur Sicherheit von Endlagern von hochradioaktivem Abfall bei.


Meine Internet-Recherche hat keine Arbeiten zu den geochemischen Fragestellungen

  1. vom Bundesamt fŸr die Sicherheit nuklearer Entsorgung (BASE)  
  2. von der Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe 

gefunden.


Die Bundesgesellschaft fŸr Endlagerung (BGE) teilte mir in einer Email vom 9.12.2024 mit, dass im Rahmen der Standortsuche fŸr ein Endlager von hochradioaktivem Abfall in Deutschland das "Transportmodell in Python fŸr Radionuklide aus einem EndlagerÒ (TransPyREnd: a code for modelling the transport of radionuclides on geological timescales") verwendet wird.

  1. Es beschreibt die geochemische Festlegung von aus dem Endlager austretenden Radionukliden (Leckagefahne) an festen OberflŠchen (z.B. Gestein) mit dem sog. Verteilungskoeffizient Kd (distribution coefficient), der als zeitlich und rŠumlich konstant angenommen wird. 
  2. Damit wird die Komplexităt der Geochemie ignoriert, die zu den in der Geologie typischen rŠumlichen Strukturen, also Akkumulationen fŸhrt. Akkumulationen in der Leckagefahne bekommen Relevanz, wenn sie Kontakt zur BiosphŠre erlangen.


Verwendung des OberflŠchenkomplexierungsmodells

Die Geochemie beschreibt die Bindung (Adsorption) von im Wasser gelšsten Stoffen an MineraloberflŠchen im Boden oder Gestein als Komplexbildung (OberflŠchenkomplexierungsmodell, Surface Complexation Model (SCM)).  Um die bisher unbeherrschte Adsorptionsvielfalt zu modellieren, wird vorgeschlagen, die Freiheiten, welche die ohnehin gro§e Anzahl von SCM-Parametern bietet, dadurch zu erweitern, dass man statt diskreter Parameterwerte statistische Verteilungen der Parameterwerte annimmt (Ilgen 2024). 


Im Rahmen der Bundesgesellschaft fŸr Endlagerung (BGE) befasst sich das Forschungsprojekt PARFREI auch mit der Bestimmung von Parametern des OberflŠchenkomplexierungsprogramms.


Die Frage ist:

  1. Bildet das OberflŠchenkomplexierungsmodell die relevanten naturgesetzlichen VorgŠnge ab und haben wir damit ein grundlegendes VerstŠndnis der Adsorption erlangt oder
  2. ist es ein anpassungsfŠhiger Filter, mit dem wir die experimentell gewonnenen Daten ordnen, also die anhand von Experimenten aufgestellten Ergebniswertetabellen nur komprimieren kšnnen. Darauf deutet hin, dass trotz UnterstŸtzung durch umfangreiche oberflŠchenphysikalische Untersuchungen die Prozesse an den OberflŠchen sich immer noch der Modellierung entziehen (Introduction, Molecular details matter). Die SCM-Parameter mŸssen daher immer neu angepasst werden, um Laborexperimente mit dem SCM zu reproduzieren. 


Nur wenn wir ein VerstŠndnis gefunden haben, sind wir vor †berraschungen sicher. 

Andernfalls ist unser Horizont auf das begrenzt, was wir untersucht haben, und in den geologischen ZeitrŠumen warten †berraschungen auf uns. Unsere wissenschaftlich-technische Welt betritt Neuland, und Wissenschaft und Technik sind unter gesellschaftlichem, d.h. auch sachfremdem Druck. Die Problematik ist Šhnlich der in der Klimaforschung (Dieckhoff und Leuschner, 2016).


Zu Fragen der Belastbarkeit des OberflŠchenkomplexierungsprogramms kann Johannes LŸtzenkirchen (KIT) Aussagen machen.


Das OberflŠchenkomplexierungsmodell als Bestandteil der Modelle zur Berechnung des Langzeitverhaltens von Endlagern mit hochradioaktivem Abfall

Die Wanderung von Radionukliden aus einem versagenden Endlager wird mit Computerprogrammen simuliert, in denen das OberflŠchenkomplexierungsmodell 

  1. ein Unterprogramm ist, das in jedem Zeitschritt und an jedem Ort aufgerufen wird (Hammond, Lichtner et al.) oder 
  2. zur Vereinfachung einmalig zur Berechnung einer Wertematrix verwendet wird, aus der anschlie§end zu jedem Zeit- und Raumschritt ein als geochemisch zutreffend erachteter Verteilungskoeffizient (Smart Kd, s.u.) ausgelesen wird.


Wegen der offenen Frage nach unserem geochemischen VerstŠndnis kšnnen wir Ÿber die Relevanz und VollstŠndigkeit der Modellaussagen keine Aussagen machen. In diesem Sinn ist die Analyse der in der Klimaforschung Šhnlich: Man macht auf dem Computer numerisch aufwŠndige Ausbreitungsexperimente (z.B. Hammond, Lichtner et al.) , kann aber nicht sagen, ob die Steuerung dieser rechnerischen Experimente zu relevantem Erkenntnisgewinn fŸhrt und ob man ein umfassendes VerstŠndnis der relevanten Prozesse gewonnen hat. €hnlich wie in der Klimaforschung wird man daher mit mathematisch-physikalischem Sachverstand vorgehen, d.h. wie Peter Ortoleva nach Radionuklidausbreitungsmšglichkeiten suchen, die auf bisher unbeachteten geochemischen Prozessen beruhen.


Unser gegenwŠrtiges Wissensspektrum

Die folgenden AuszŸge sollen beispielhaft unser gegenwŠrtiges Wissensspektrum charakterisieren. 

  1. Iststandsanalyse zum geochemischen Millieu und dem Radionuklidverhalten in den Einlagerungskammern der Schachtanlage Asse II, Karlsruher Institut fŸr Technologie (KIT) - Institut fŸr Nukleare Entsorgung (INE), 28.2.2017: Auszug, vollstŠndiges Dokument
  2. REPORT ON NATIONAL RESEARCH AND DEVELOPMENT FOR INTERIM STORAGE AND GEOLOGICAL DISPOSAL OF HIGHER ACTIVITY RADIOACTIVE WASTES, AND MANAGEMENT OF NUCLEAR MATERIALS, Committee on Radioactive Waste Management (CoRWM) REPORT TO GOVERNMENT, OCTOBER 2009: Auszug, vollstŠndiges Dokument
  3. International Workshop on How to integrate geochemistry at affordable costs into reactive transport for large-scale systems: Auszug, vollstŠndiges Dokument
      1. Bounding Computation and Complexity for Reactive Transport on Supercomputers: A Perspective from the Nuclear Waste Repository Performance Assessment Community
      2. LAB-LYSIMETER MODELLING: Smart Kd
  4. Smart Kd
  5. Forschungsergebnisse


Version: 6.1.2025

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Joachim Gruber