Offener Brief an Ernst Elitz,
Intendant von DeutschlandRadio Berlin und Deutschlandfunk
zur Nachrichtensendung am 9.4.2003
Sehr geehrter Herr Elitz!
Ich bin Ihrer Nachrichtenredaktion
sehr dankbar dafür, daß sie uns mit der im Internet publizierten
schriftlichen
Form der Nachrichten den Weg zur konstruktiven Kritik erleichtert hat.
Die sich dadurch einstellende enge Verbindung zwischen Redaktion und Hörern
empfinde ich als eine hohe Lebensqualität und als ein wertvolles Geschenk
Ihrer Sender an uns.
Der Deutschlandfunk hat am 9.
April 2003 folgende Nachricht ausgestrahlt:
"Das Vorstandsmitglied des
Deutschen Journalisten-Verbandes, Glattfelder, hat den
USA vorgeworfen, die westlichen Journalisten im Palestine-Hotel in
Bagdad absichtlich angegriffen zu haben. Es liege im Interesse der
Amerikaner, dass Reporter nur das berichteten, was Washington vorgebe,
sagte Glattfelder im Deutschland-Radio Berlin. Zugleich räumte er
ein, dass der Tod zu den Berufsrisiken von Kriegsberichterstattern gehöre.
Man müsse aber davon ausgehen können, dass bei einem Krieg, an
dem eine zivilisierte Macht wie die USA beteiligt sei, klar erkennbare
Journalistenfahrzeuge und -gebäude nicht attackiert würden. Beim
Beschuss des Hotels und des arabischen Nachrichtensenders Al Dschasira
waren gestern drei Journalisten getötet und mehrere verletzt worden."
Weitere Sendungen des DLR zu diesem
Thema:
Ich nehme an, daß ich nicht
näher darlegen muß, welch ein absurder Unsinn Herrn Glattfelders
Vorwurf ist. Sie finden bitte
hier
Material, das darstellt, was ich im Einzelnen mit dieser Wertung meine.
Ihre Nachrichtenredaktion könnte sich dazu auch durch einen Anruf
bei Ihrem Korrespondenten in Washington, Siegfried
Buschschlüter, ganz ausgezeichnet sachkundige Information zum
Rechtsempfinden des amerikanischen Bürgers einholen.
Obwohl Herrn Glattfelders Vorwurf
undifferenziert ist, muß ich folgende Details herauslesen:
-
Im amerikanischen Militär (in welchem
Rang?) ist der Befehl zum Mord an Journalisten gegeben worden, die sich
in ihrer Berichterstattung Washington gegenüber (der Administration?
oder etwa dem Kongress oder der Judikative?) unabhängig gezeigt haben.
-
Jeder einzelne in der Kommandokette
vom Befehlsgeber bis zum Panzerfahrer hat dem befohlenen Mord zur Disziplinierung
der Journalisten entsprochen.
-
Eine Untersuchung der Exekutionen wird
entweder von höherer Stelle (von welcher?) unterbunden, niemand wird
zur Verantwortung gezogen, oder eine solche Todesschwadron geht unter der
Deckung des Militärs (welcher Stelle?) straffrei aus.
-
Als Deutscher empfindet sich Herr Glattfelder
als klarsichtiger, was verbrecherisches Verhalten im Krieg angeht, als
die Amerikaner (wen in Amerika? Vielleicht die Mehrheit?).
Daß Herr Glattfelder Mitglied
des Vorstands des Journalistenverbands ist, signalisiert mir, daß
ich seinen Vorwurf als eine gefährliche Entwicklung in unserer Medienlandschaft
analysieren muß. Wird seine Nachlässigkeit in unserem Lande
stillschweigend akzeptiert, wirkt das nach meiner Ansicht auf
eine unzulässige Einengung der journalistischen Sorgfalt und letztendlich
der journalistischen Freiheit hin.
Die Verbreitung von Herrn Glattfelders
unsinnigem Vorwurf durch die Nachrichtenredaktion ist darüberhinaus
meiner Ansicht nach eine Verletzung des Paragraphen 6 (3) des Deutschlandradio-Staatsvertrags
(DLR-StV). Danach
sollen die Sendungen "der Verständigung unter den Völkern dienen
und auf ein diskriminierungsfreies Miteinander hinwirken".
Ich würde es begrüßen,
wenn unsere Generation (ich bin wie Sie 1941 geboren) -im Bewußtsein
der erheblichen
deutschen Schuld an der Aufrüstung des Irak- zusammen mit der
amerikanischen Gesellschaft weltpolitische Verantwortlichkeit übernehmen
würde, und zwar in unserem Land deutlich erkennbar. Ich meine das
in dem Sinne, daß sie sich z.B. in ihrer Industrie und ihren Forschungsinstituten
ernsthaft und rational mit der deutschen Rolle in der Welt befasse, etwa
wie ich es hier
darlege.
Mit vielem Dank für Ihre Arbeit
und mit freundlichen Grüssen,
Dr. Joachim Gruber |