ãFehler fallen viel zu spŠt aufÒ

Interview 

Atomrechtsexperte Dr. Ulrich Wollenteit Ÿber die fatalen MŠngel des Endlagersuchgesetzes, die dŸrftigen €nderungsvorschlŠge der AtommŸll-Kommission daran und den Wunsch von PolitikerInnen, den Standort des geplanten AtommŸlllagers per Gesetz zu dekretieren

Quelle: ausgestrahlt Magazin Nr. 31 (Mai - Juli 2016), Seiten 9 - 10.


Herr Wollenteit, warum hebelt das Endlagersuchgesetz den Rechtsschutz aus? 

Es schreibt vor, dass bei der Endlagersuche Ð anders als bei Planungsverfahren sonst Ÿblich Ð der Bundestag alle wesentlichen Standortentscheidungen trifft. Es ersetzt also typisch administrative Entscheidungen durch Gesetzgebung. Das wirft ganz erhebliche verfassungsrechtliche Probleme auf Ð Stichwort Gewaltenteilung und eben auch Rechtsschutz.


Die einzelnen Auswahlschritte sollen nicht mehr gerichtlich ŸberprŸfbar sein? 

Gegen solche gesetzlichen Standortzuweisungen kann man nur noch Verfassungsbeschwerde erheben. Der sonst Ÿbliche Instanzenweg ist vollstŠndig ausgeschaltet. Das Bundesverfassungsgericht prŸft zudem nur Grundrechtsverletzungen. Verstš§e gegen einfache Gesetze kšnnen beim Bundesverfassungsgericht nicht geltend gemacht werden. Wird z.B. ein Kriterium falsch angewandt oder ein Verfahrensrecht verletzt, wŠre dies nur beim Verfassungsgericht thematisierbar, wenn dies zugleich mit einer Grundrechtsverletzung verbunden wŠre. UmweltverbŠnde sind zudem nicht grundrechtsfŠhig und kšnnen deshalb prinzipiell gar keine Verfassungsbeschwerde erheben. Schlie§lich fallen auch die EU-rechtlich vorgeschriebenen Klagerechte von UmweltverbŠnden weg. In dieser Lage noch von einem angemessenen Rechtsschutz sprechen zu wollen, erscheint mir rechtlich ein durchaus ambitioniertes Unterfangen.


Eine einzige Klagemšglichkeit sieht das Gesetz trotzdem heute schon vor: gegen die Entscheidung, welcher Standort untertŠgig erkundet werden soll.

Ja, das neue Bundesamt fŸr kerntechnische Entsorgung (BfE) soll in einem Bescheid bestŠtigen, dass das bisherige Verfahren den Anforderungen des Gesetzes in formeller Weise und in Hinblick auf die Kriterien entsprochen hat; diesen Bescheid kann man dann vor Gericht angreifen. Das ist ein sehr merkwŸrdiges Konstrukt, denn die Standortentscheidung wird im Erfolgsfall nicht etwa aufgehoben, sondern es ergeht lediglich ein Feststellungsurteil. Und was passiert eigentlich, wenn das Gericht dann Fehler feststellt? Das ist im Gesetz nicht geregelt. Au§erdem kann der Bundestag an eine wie auch immer geartete gerichtliche Entscheidung schon aus verfassungsrechtlichen GrŸnden gar nicht gebunden sein.


Die AtommŸll-Kommission hatte die Aufgabe, das Endlagersuchgesetz zu evaluieren. Wie beurteilen Sie die €nderungsvorschlŠge? 

Sie bringen keine substanziellen €nderungen.


Aber mehr Rechtsschutz?

Es gibt den Vorschlag, eine vergleichbare Rechtsschutzmšglichkeit wie fŸr die untertŠgige Erkundung auch bei der endgŸltigen Standortfestlegung einzufŸhren. Wobei es offenbar auch Kommissionsmitglieder gibt, welche die bisherige minimale Rechtsschutzmšglichkeit dafŸr streichen wollen.


Das hie§e, dass es erst ganz am Ende eines womšglich Jahrzehnte dauernden Verfahrens, wenn bereits alle Standorte erkundet sind und die Standortentscheidung ansteht, ein einziges Mal die Mšglichkeit gŠbe, dagegen zu klagen?

Richtig. Das ist meines Erachtens verfassungsrechtlich weiterhin Šu§ert fragwŸrdig.


Von den juristischen einmal abgesehen Ð welche ganz praktischen Probleme wirft eine solche Regelung auf? 

Wenn man nach einem jahrzehntelangen Prozess beanstandet, dass es in dem Prozess Fehler gegeben hat, dann stellt sich schon die Frage: Sind die Ÿberhaupt noch korrigierbar? Es kšnnte ja sein, dass sie schon sehr frŸh in dem Verfahren passiert sind oder dass ein Kriterium sehr frŸh schon falsch angewendet worden ist: Bei einem solchen Verfahren fŠllt das dann viel zu spŠt auf. Hinzu kommt, dass wieder nicht geregelt ist, was dann eigentlich passieren soll. Ein RŸcksprung um Jahre oder gar Jahrzehnte?


Kaum praktikabel Ð und kaum vorstellbar.

Eben. Eine solche Konstruktion verfehlt wesentliche und bei einem solchen Thema entscheidende Prinzipien Ð etwa das Prinzip der Fehlerfreundlichkeit. Wenn man einen Fehler macht, ist es ja sinnvoll, den auch zeitnah zu korrigieren. Das geht mit diesem Gesetz aber nicht.


Wie lautet die BegrŸndung fŸr die sogenannte Legalplanung, also die Planung mit Hilfe von Gesetzen statt mit Verwaltungsentscheidungen?

Es hei§t, das sei nštig, um die LegitimitŠt einer Standortentscheidung zu steigern. LegitimitŠt erzeugt man aber nicht dadurch, dass man den Betroffenen in der gesamten Phase den Rechtsschutz abschneidet. Der sollte vielmehr Ÿber das ganze Verfahren durchgŠngig gewŠhrleistet sein.


Was, glauben Sie, ist der Grund dafŸr, dass er so minimal ausgelegt wird? 

Vor allem die Politiker wollen die Entscheidung gerne in ihrer Hand behalten. Und sie wŸnschen keine Klagerechte. Das haben mir Bundestagsabgeordnete aus der Kommission und andere Kommissionsmitglieder sehr deutlich so gesagt.


Der Konflikt ...

... ist einer zwischen Politik und Bevšlkerung!


Einige Kommissionsmitglieder stellen als gro§en Erfolg der Kommission heraus, dass diese ein ãgenerelles ExportverbotÒ fŸr AtommŸll fordert.

Solchen Formulierungen wŸrde ich immer ein gewisses Misstrauen entgegenbringen. Da kšnnen noch HintertŸrchen drin sein: ãgenerellÒ ist es verboten, ausnahmsweise dann aber doch wieder zulŠssig. Au§erdem soll das Verbot erst ãfŸr die ZukunftÒ gelten Ð unter UmstŠnden also nicht mal fŸr den schon geplanten Export von AtommŸll aus JŸlich in die USA. Da fehlt eine Klarstellung.


€ndern die VorschlŠge der Kommission zum Endlagersuchgesetz etwas an der Sonderrolle Gorlebens? 

Definitiv nicht. Aus meiner Sicht ist es ein Grundfehler in dem ganzen Verfahren, dass man nicht den Mut hatte, Gorleben von vornherein auszuschlie§en. Es ist sehr deutlich geworden, dass Gorleben als Schere im Kopf das Verfahren immer mitbestimmt und deshalb dessen Ergebnisoffenheit immer gefŠhrdet ist und bleiben wird.

Interview: Armin Simon

Rechtsanwalt Dr. Ulrich Wollenteit, Partner der auf Umweltrecht spezialisierten Kanzlei RechtsanwŠlte GŸnther in Hamburg, beschŠftigt sich seit Jahren mit Atomrecht und hat zahlreiche Klagen gegen Zwischenla- ger, Atomkraftwerke und Castor-Trans- porte begleitet. Aktuell versucht er unter anderem mit Greenpeace und der BI LŸchow-Dannenberg, die VerŠn- derungssperre in Gorleben zu kippen. Seine Kritik am Endlagersuchgesetz brachte er bereits Ende 2014 auf einer Anhšrung der AtommŸll-Kommission ein; seine Beurteilung der €nderungs- vorschlŠge der Kommission trug er Anfang April auf einer Veranstaltung des BUND vor.


Version: 26.7.2016
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Joachim Gruber