Individuell adressierte Emails
an alle 39 Mitglieder des Ausschusses fŸr Recht und Verbraucherschutz


31. Mai 2017


Sehr geehrte/r ...,


sowohl die Konzeption als auch die Formulierung des Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) halte ich fŸr verfehlt. Es stellt die GrundsŠtze der Meinungsfreiheit und damit zugleich die unabdingbaren Voraussetzungen fŸr einen lebendigen und vielseitigen politisch-gesellschaftlichen Diskurs in Frage.


Daher appelliere ich an Sie, alles Ihnen Mšgliche zu tun, um die Verabschiedung des Gesetzes zu verhindern.


Die wesentlichen GrŸnde fŸr meinen Appell sind:



Insgesamt sind die SchwŠchen des NetzDG derart umfangreich und tiefgreifend, dass sie im parlamentarischen Verfahren m.E. nicht mehr behoben werden kšnnen. Bitte lassen Sie nicht zu, dass die Meinungsfreiheit im Netz durch gut gemeinte, aber allzu schlecht gemachte SchnellschŸsse aufs Spiel gesetzt wird.


Mit freundlichen Gr٤en


Dr. Joachim Gruber

Marihner Weg 2

17219 Ankershagen



Antworten


From: Winkelmeier-Becker Elisabeth <elisabeth.winkelmeier-becker@bundestag.de>

Subject: Ihr Schreiben zum NetzDG

Date: 1. Juni 2017 09:12:03 MESZ

To: Jochen Gruber <jochen.gruber@acamedia.info>


Sehr geehrter Herr Gruber,

Ê

vielen Dank fŸr Ihr Schreiben, mit dem Sie Bedenken zum Entwurf des Netzdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) Šu§ern.

Mit dem von Bundesjustizminister Heiko Maas vorgelegten Gesetzentwurf sollen die Betreiber sozialer Netzwerke verpflichtet werden, ein funktionierendes Beschwerdewesen einzurichten. Zwar sind Unternehmen wie Facebook und Twitter bereits heute nach deutschem und europŠischem Recht dazu verpflichtet, rechtswidrige Inhalte zu lšschen, sobald sie davon Kenntnis erhalten. Die aktuelle Praxis in vielen sozialen Netzwerken ist aber unbefriedigend: Selbst grob rechtswidrige Inhalte stehen teilweise tage- und wochenlang im Netz und werden nicht gelšscht. Ich erinnere nur an den Kindermšrder von Herne, der sich auf einer Plattform mit seinen Taten gebrŸstet und Fotos von dem getšteten neunjŠhrigen Jungen gepostet hatte.

Im Einzelnen ist in dem Gesetzentwurf vorgesehen, dass die Plattformen ein leicht erkennbares, erreichbares und stŠndig verfŸgbares Verfahren fŸr Beschwerden Ÿber strafbare Inhalte bereithalten, eindeutig strafbare Inhalte innerhalb von 24 Stunden nach Eingang der Beschwerde lšschen oder sperren, jeden strafbaren Inhalt innerhalb von sieben Tagen nach Eingang der Beschwerde lšschen oder sperren. Es geht dabei ausschlie§lich um strafbare Inhalte wie z. B. Beleidigung, Ÿble Nachrede, Verleumdung, šffentliche Aufforderung zu Straftaten, Volksverhetzung und Bedrohung, aber auch Kinderpornographie und terroristische Straftaten. Der Betreiber muss den betroffenen Nutzer Ÿber jede Entscheidung bezŸglich seiner Beschwerde informieren. Die Verpflichtung zur Lšschung oder Sperrung bezieht sich auch auf sŠmtliche auf der Plattform befindliche Kopien des strafbaren Inhalts. Die Plattformen werden zudem verpflichtet, vierteljŠhrlich Ÿber den Umgang mit Beschwerden zu berichten (Beschwerdevolumen, Entscheidungspraxis, personelle Ausstattung und Qualifikation der entsprechenden Arbeitseinheiten). Weiterhin sollen die sozialen Netzwerke verpflichtet werden, verantwortliche Ansprechpartner fŸr Straf-, Bu§geld- und Zivilverfahren in Deutschland zu benennen. Diese Compliance-Pflichten sollen bu§geldbewehrt sein, d.h. es wŠre eine Ordnungswidrigkeit, wenn die Plattformen ein wirksames Beschwerdemanagement nicht oder nicht richtig einrichten wŸrden.

Der freie Meinungsaustausch Ð kritisch und auch zugespitzt Ð ist ein Wesensmerkmal der demokratischen Debatte. Er gehšrt zu den unverrŸckbaren Werten einer offenen, freiheitlichen Gesellschaft. Der Gesetzentwurf Šndert auch nichts daran, welche €u§erungen man šffentlich tun darf, was gegebenenfalls auch an negativen, zugespitzten Aussagen und Kommentaren ausgehalten werden muss Ð und wo die Grenze zur Rechtswidrigkeit bzw. Strafbarkeit Ÿberschritten wird. Dieser Rahmen ist in Deutschland aufgrund des hohen Werts der freien MeinungsŠu§erung in der Demokratie besonders weit gefasst; die jŸngste Entscheidung des Landgerichts Hamburg zu satirischen €u§erungen des Kabarettisten Ehring zu der AfD-Politikerin Alice Weidel ist dafŸr ein aktuelles Beispiel.

Ebenso wenig geht es um die grundsŠtzliche Abschaffung von AnonymitŠt oder PseudonymitŠt im Internet. Wo aber die weiten Grenzen der Meinungsfreiheit Ÿberschritten werden, muss die Mšglichkeit bestehen, die persšnliche Verantwortung fŸr Hass und Hetze aufzuklŠren und durchzusetzen. Ein wichtiger Schritt dazu ist die im Entwurf nun vorgesehene Rechtsgrundlage fŸr Plattformbetreiber, in solchen FŠllen die Bestandsdaten der Urheber an die Betroffenen herauszugeben, damit diese ihre Rechte Ÿberhaupt geltend machen kšnnen. Hier halten wir es fŸr erforderlich, einen Auskunftsanspruch, den die Rechtsprechung bisher aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ableitet, klar zu regeln.

Es ist nicht vorgesehen, dass bereits bei einer Fehlentscheidung im Einzelfall eine Sanktion fŠllig wŸrde. Erst wenn sich herausstellt, dass das Beschwerdesystem grundsŠtzliche MŠngel aufweist, sollen die Plattformbetreiber ein Bu§geld zahlen mŸssen.

Der Gesetzentwurf verlangt den Plattformbetreibern ab, dass sie qualifizierte Mitarbeiter einstellen, die sauber und nach transparenten Kriterien prŸfen, ob ein Posting rechtswidrig ist oder nicht. Das halte ich fŸr vertretbar. Denn wer zum Teil riesige Gewinne mit seinen Plattformen im Internet erwirtschaftet, muss im Gegenzug auch ein Mindestma§ an Verantwortung Ÿbernehmen.

In den parlamentarischen Beratungen werden wir unter anderem sorgfŠltig prŸfen, wie der Gefahr einer zu weitgehenden Lšschpraxis (sog. ãOverblockingÒ) durch den Plattformbetreiber vorgebeugt werden kann. Zudem ist es Sache der EuropŠischen Kommission, die in dem Gesetzentwurf vorgesehenen Regelungen auf ihre Vereinbarkeit mit EU-Vorgaben zu prŸfen.

Ich hoffe, Ihnen mit diesen AusfŸhrungen dienen zu kšnnen.

Ê

Elisabeth Winkelmeier-Becker MdB

Rechts- und verbraucherpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion

Platz der Republik 1

11011 Berlin

Tel: 030-227-70103

ÊÊÊÊÊÊÊ 030-227-70104

Fax: 030-227-76102

Mail: elisabeth.winkelmeier-becker@bundestag.de

www.elisabeth-winkelmeier-becker.de

Ê

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From: MdB Halina Wawzyniak <halina.wawzyniak@bundestag.de>

    Subject: AW:   E-Mail Ÿber Kontaktformular auf www.bundestag.de -   Kontaktformular des Deutschen Bundestages

Date: 1. Juni 2017 12:32:38 MESZ

To: Jochen Gruber <jochen.gruber@acamedia.info>


Sehr geehrter Herr Gruber,


vielen Dank fŸr Ihr Schreiben! Meine Fraktion DIE LINKE und ich sehen das Netzwerkdurchsetzungsgesetz genauso kritisch wie Sie. Wir halten es fŸr einen Schnellschuss, der die Freiheit des Internets gefŠhrdet. Das NetzDG bedeutet den Einstieg in die private Rechtsdurchsetzung von Facebook, Google, Twitter und Co. Diese hŠtten dann in vielen FŠllen nur 24 Stunden Zeit, um ein Post, der offensichtlich rechtswidrig ist, zu lšschen. Da bleibt wenig Platz zur †berprŸfung solcher VorwŸrfe. Denn so offensichtlich sind rechtswidrige Kommentare sehr oft nicht. Im Zweifel wird also erst gelšscht und dann nachgefragt. Vollkommen absurd wird das ganze Vorhaben, weil der Referentenentwurf auch noch HintertŸren offen hŠlt. Es kann nŠmlich eine Ausnahme von der 24-Stunden-Frist vereinbart werden. Wenn aber eine VerlŠngerung der Frist mit den zustŠndigen Strafverfolgungsbehšrden vereinbart werden kann, wieso wird dann nicht konsequent der Weg der Rechtsdurchsetzung via Gericht beschritten? Bemerkenswert ist darŸber hinaus: Bevor ein Bu§geld verhŠngt werden darf, weil nicht ordentlich gelšscht oder gesperrt wird, muss erst mal ein Gericht klŠren, ob Ÿberhaupt ein Anlass zur Sperrung oder Lšschung bestand.  Auch hier stellt sich die Frage, warum dann der Weg der privaten Rechtsdurchsetzung beschritten wird und nicht generell eine KlŠrung, ob ein Inhalt rechtswidrig ist oder nicht, via Gericht herbeigefŸhrt wird. Das Auskunftsrecht an Dritte soll deutlich ausgeweitet. Dazu sollen Anbieter sozialer Netzwerke nun schon dann verpflichtet werden, wenn es zur Durchsetzung ãanderer absolut geschŸtzter RechteÒ erforderlich ist. Bisher galt dies nur zur Gefahrenabwehr und zum Schutz geistiger Eigentumsrechte.  Diese Ausweitung gefŠhrdet die anonyme und pseudonyme Nutzung des Internets. Es ist daher hšchst zweifelhaft, dass dies mit dem Telemediengesetz vereinbar ist, welches genau diese Mšglichkeit fordert.


Wenn Sie eine etwas ausfŸhrlichere Kritik lesen wollen, finden Sie sie hier (im Cache).


Prinzipiell halten wir es fŸr einen Irrglauben, dass man Rassismus, Sexismus, Homophobie etc. pp. dadurch bekŠmpft, dass man entsprechende Posts lšscht. Viel entscheidender ist, dass gegen solche BeitrŠge eine Vielzahl andere Menschen gegenhalten und widersprechen. Nur so kšnnen wir die derzeitige Schieflage in den sozialen Netzwerken wieder in den Griff bekommen. Denn viel zu oft fŸhlen sich solche Hasskommentatoren durch andere bestŠtigt und bestŠrkt darin, ihren Hass weiter zu streuen.


Wir halten daher nichts von StrafrechtsverschŠrfungen. Auch weil die bestehenden Regelungen vollkommen ausreichen, um gegen Beleidigungen, Volksverhetzung oder Šhnliches vorzugehen. Es darf aber eben nicht passieren, dass Facebook, Google und Co. zu privaten Rechtsdurchsetzern werden. Gerade in GrenzfŠllen mŸssen Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte diejenigen sein, die Ÿber die solche FŠlle entscheiden. Derzeit sind die staatlichen Behšrden aber weder personell noch finanziell ausgestattet, um die schiere FŸlle solcher FŠlle bearbeiten zu kšnnen. Hier sind Bund und LŠnder gefragt, die Strafverfolgungsbehšrden entsprechend auszustatten.


______________________


Halina Wawzyniak

Fraktion DIE LINKE.


Netzpolitische Sprecherin

Rechtspolitische Sprecherin


Deutscher Bundestag

Platz der Republik 1

11011 Berlin


Tel.: (030) 227 73107

Fax: (030) 227 76107

E-Mail: halina.wawzyniak@bundestag.de

Twitter: @Halina_Waw


www.linksfraktion.de

www.wawzyniak.de


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From: Bartke Matthias <matthias.bartke@bundestag.de>

Subject: AW:   E-Mail Ÿber Kontaktformular auf www.bundestag.de -   Kontaktformular des Deutschen Bundestages

Date: 15. Juni 2017 23:40:51 MESZ

To: Jochen Gruber <jochen.gruber@acamedia.info>

Security: Signed (GRP - Matthias Bartke)


Sehr geehrter Herr Gruber,

Ê

haben Sie vielen Dank fŸr Ihre Mail und entschuldigen Sie bitte, dass ich erst so spŠt antworte.

Ê

Das Kernproblem bei Hass-Posts im Internet ist, dass nach jetziger Rechtslage das Opfer immer aktiv werden muss. Facebook selber macht von sich aus nichts. Heiko Maas hat unzŠhlige Versuche unternommen, gerade dieses Netzwerk zur BekŠmpfung von Hetze im Netz zu bewegen. Genauso unzŠhlige Zusagen hat es gegeben Ð keine wurde eingehalten. Bei Youtube ist das Ÿbrigens anders, dort merkt man eine deutlich grš§ere Verantwortlichkeit fŸr die auf dieser Plattform hochgeladenen Filme. Man sieht, es geht.

Ê

Wenn ein Unternehmen wie Facebook eine Plattform fŸr Veršffentlichungen zur VerfŸgung stellt und damit sehr, sehr viel Geld verdient, so hat dieses Unternehmen auch die Pflicht, dafŸr zu sorgen, dass auf dieser Plattform kein Schindluder getrieben wird. Soziale Netzwerke sind keine rechtsfreien RŠume. Bei offensichtlich rechtswidrigen oder kriminellen Inhalten muss unverzŸglich reagiert werden. Es kann nicht sein, dass man die Lšschung erst vor Gericht erklagen muss. Das macht kein Mensch und die Hetzer wŸrde eine solche Regelung freuen.

Ê

Unsere Demokratie und unsere freiheitliche Lebensart sind zum ersten Mal nach dem Zweiten Weltkrieg massiv in Gefahr. Die grš§te Gefahr kommt dabei Ÿber die sozialen Netzwerke. Sie sind der Tummelplatz fŸr Trolle, Social Bots und Hassprediger. Diese haben Ÿber Facebook und Co die Mšglichkeiten, ihr Gift in einem riesigen, zuvor niemals mšglichen Adressatenkreis zu verbreiten. Und man kann Facebook dafŸr bezahlen, dass die Hassbotschaften mšglichst viele Nutzer erreichen. Es ist fŸr das Soziale Netzwerk also škonomisch attraktiv, dem Hass ein Zuhause zu geben.

Ê

Wenn sich Betroffene bisher bei Facebook beschweren, ist die Antwort oft nur, der Inhalte versto§e nicht gegen die Gemeinschaftsstandards. Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz fordert nun vor allem ein konsequentes Beschwerdemanagement. Ein Bu§geld droht nur, wenn das Beschwerdemanagement untauglich ist. Die HŸrden dafŸr sind hoch angesetzt.

Ê

Sehr geehrter Herr Gruber, wir mŸssen Vorkehrungen treffen, dass Diffamierungen unserer BŸrger nicht so einfach mšglich sind. Die neuen technischen Mšglichkeiten stellen uns dabei vor Herausforderungen, die wir lšsen mŸssen. Vielleicht hat der Gesetzentwurf noch Schwachstellen, die werden wir diskutieren. Aber: Es gibt kein Grundrecht auf Facebook.

Ê

Gestatten Sie mir am Ende noch eine persšnliche Bemerkung: Ich habe in den letzten Tagen viele Beschwerdemails gegen das geplante Gesetz erhalten. Im Gegensatz dazu habe ich zuvor nie Beschwerdemails erhalten, weil die Sozialen Netzwerke LšschantrŠge von Privatpersonen bei offensichtlichen strafbaren Hetztiraden kategorisch verweigern. Ich finde das seltsam und es bereitet mir Sorgen.

Ê


Dr. Matthias Bartke, MdB

Justiziar der SPD-Bundestagsfraktion

Ê

AbgeordnetenbŸro im Deutschen Bundestag:

Platz der Republik 1

11011 Berlin

Tel.Ê 030 / 227 77 150

Fax: 030 / 227 76 151

Ê

WahlkreisbŸro:

Max-Brauer-Allee 20

22765 Hamburg-Altona

Tel. 040 / 2714 8730

Ê

E-Mail: matthias.bartke@bundestag.de

Homepage: www.matthias-bartke.de

Ê

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Subject: NetzwerkDG, Ihre Email vom 15.6.2017

From: Jochen Gruber <jochen.gruber@acamedia.info>

Date: 17. Juni 2017 12:42:40 MESZ

To: Bartke Matthias <matthias.bartke@bundestag.de>

Bcc: Jochen Gruber <jochen.gruber@acamedia.info>, Jochen.gruber@gmail.com


Sehr geehrter Herr Dr. Bartke,


haben Sie vielen Dank fŸr Ihre ausfŸhrliche Antwort auf meine Sorgen. Dass sie so spŠt kommt, macht sie mir noch wertvoller, glaube ich doch zu erkennen, dass Sie -so wie in meinem Fall- mšglichst persšnlich auf alle Ihnen mitgeteilten Sorgen eingehen. Das kostet wertvolle Zeit.


Auch ich finde aufschlussreich, was Sie im letzten Satz sagen (niemand habe sich beschwert darŸber, dass die Netzwerke nicht lšschen). Kšnnte es sein, dass sich die BŸrger deswegen nicht an Sie wandten, weil sie staatliche Hilfe in dieser Situation ablehnen, sie als Zensur empfinden?Ê


Ich war Ÿber Jahrzehnte meines Lebens ein Ÿberzeugter SPD-WŠhler, finde aber inzwischen, dass die SPD zu sehr vom Konzept der FŸrsorge fŸr den BŸrger ausgeht. Im Vergleich beispielsweise zu den 1960er Jahre stelle eine erstaunliche und breite Entwicklung hin zu kritischem, verantwortungsvollem DemokratieverstŠndnis fest, ein autonomes Engagement fŸr die Gesellschaft. Das zeigt sich mir in der Vielzahl von Organisationen wie dem Chaos Computer Club,Ênetzpolitik.orgEDRi, German Watch,ÊBŸndnis BŸrgerenergie, Deutsche Umwelthilfe und dem VerstŠndnis, das Whistleblowern wie Snowden, Binney, Drake oder Radack entgegengebracht wird. All diese Menschen geben uns Informationen und Denkmodelle an die Hand, die wir im letzten Jahrhundert nicht hatten. Darauf stŸtzt sich die SPD zu wenig, definiert ihre Zielgruppe historisch bedingt zu eng, erscheint mir.


Die moderne Neurobiologie geht davon aus, dass sich in einem System ein Bewusstsein entwickelt, wennÊ5 VoraussetzungenÊerfŸllt sind. DasÊGlobal Brain InstituteÊder Vrije Universiteit BrŸssel untersucht, wie weit eben diese Voraussetzungen auch vom System der durchs Internet verbundenen Menschen erfŸllt werden. Die Wissenschaftler finden erstaunliche ErklŠrungen von heute neuen gesellschaftlichen PhŠnomenen unter der Annahme einesÊGlobal Brain. Daraus folgt eine vollkommen neue Aufgabenstellung fŸr die Politik: Sie muss Ÿber lange ZeitrŠume (mšglicherweise Ÿber Generationen) die neue globale Intelligenz sich unbehindert entwickeln lassen, wie es die Politik im England von Newton -im Gegensatz zum Italien des Galileo- Êmit den Naturwissenschaften tat. Damals begannen die Menschen eine neue Denkrichtung, weg vom religišs bestimmten Mittelalter hin in das naturwissenschaftlich-technische Zeitalter und die AufklŠrung. Die Forschung anÊkomplexen adaptiven SystemenÊ(wie im Global Brain Institute) deutet auf eine Šhnliche Neuorientierung der Menschheit heute hin.


Mir scheint, die Aufgabe, dies zu akzeptieren und zu formulieren, muss an die Seite der traditionellen sozialen FŸrsorge treten, welche die linken Parteien -beginnend im 19. Jahrhundert- fŸr die Gesellschaft erkennbar formuliert und gefšrdert haben. Die IT-Politik der Gro§en Koalition (in diesem Rahmen also auch das NetzwerkDG) hingegen scheint mir dem Vorgehen des Vatikan gegen Galileo Šhnlich, das die geisteswissenschaftliche Entwicklung Italiens zum Stillstand gebracht hat.


http://acamedia.info/sciences/J_G/.


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From: Bartke Matthias <matthias.bartke@bundestag.de>

Subject: Re: NetzwerkDG, Ihre Email vom 15.6.2017

Date: 18. Juni 2017 16:15:30 MESZ

To: Jochen Gruber <jochen.gruber@acamedia.info>


... Danke fŸr Ihre interessante RŸckmeldung. Verstehe ich Sie richtig, dass Sie es všllig in Ordnung finden, wenn ein Opfer einer Facebook-Hassbeleidigung selber per Gerichtsverfahren dafŸr sorgen muss, dass das Hassposting entfernt wird?

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Subject: Re: NetzwerkDG, Ihre Email vom 15.6.2017

From: Jochen Gruber <jochen.gruber@acamedia.info>

Date: 25. Juni 2017 12:41:49 MESZ

To: Bartke Matthias <matthias.bartke@bundestag.de>

Bcc: Jochen Gruber <jochen.gruber@acamedia.info>


... danke fŸr Ihre Frage, die nach meinem VerstŠndnis ein wesentliches Problem anspricht. Im Juli 2014 hat William Binney im NSA-Untersuchungsausschuss auf ein Šhnliches Problem hingewiesen: "parallel construction". Seite 34 in Bundestag Committee of Inquiry into the National Security Agency [Untersuchungsausschuss ("NSA")], Session 11, 3. Juli 2014.


In diesem Fall ist es die staatliche Exekutive, die jemanden zum Opfer machen kann. Im Fall von Thomas Drake (der am gleichen Tag wie Binney im NSA-Untersuchungsausschuss aussagte) ist die Exekutive vor Gericht der "malicious prosecution" ŸberfŸhrt worden, und trotzdem ist Thomas Drake persšnlich und finanziell ruiniert worden, wie Sie wahrscheinlich wissen. Das BND-Gesetz lŠsst Šhnliche staatliche Fehler in Deutschland zu (Belege dazu Punkte (1) - (4) im Anhang zu dieser Email).


Ich begrŸ§e die Diskussion Ÿber den Problembereich, auf den Ihre Frage zielt, sehr. FŸrs Erste, scheint mir, gibt Ulf Buermeyer, Richter am Landgericht Berlin, eine praktische Antwort, der ich mich nach eingehendem Studium als juristischer Laie anschlie§en mšchte (Punkt (5a) im Anhang).


Hilfreich ist auch seine Empfehlung, dasÊNetzDG solle verlangen, dass rechtswidrige Inhalte gelšscht werden, rechtmŠ§ige aber nicht (s. Punkt (5b) im Anhang).Ê

...


 ANHANG 

(1) Argumente der Richter Hans-JŸrgen Papier, Wolfgang Hoffmann-Riem und Matthias BŠcker zur †berwachung, 22.5.2014)


(2) Kritik der gegenwŠrtigen und des vorherigen Datenschutzbeauftragten (Andrea Vosshoff, Peter Schaar) und SachverstŠndiger am BND-Gesetz. Details in:Êhttp://acamedia.info/politics/surveillance/index.html#vosshoff)

https://www.eaid-berlin.de/?p=1187

http://acamedia.info/politics/surveillance/index.html#stellungnahmen_september_2016

http://acamedia.info/politics/surveillance/index.html#B.VII.1

http://acamedia.info/politics/surveillance/index.html#B.VII.2

SachverstŠndigengutachtenÊgemŠ§ÊBeweisbeschluss SV-13


(3) Kritik von IT-SachverstŠndigen an MassenŸberwachung (DAFIS istÊunzureichendtechnische ProblemeÊmit Filtern)


(4) MassenŸberwachung und Terrorabwehr schlie§en einander aus IT-GrŸnden aus (Aussagen von William Binney, Kirk Wiebe und Edward Snowden).

Beispiel:

"Die Menschen hinter diesen †berwachungsprogrammen sind hauptsŠchlich an der StabilitŠt der Regierung interessiert, an der Perpetuierung des Status Quo. Wir mŸssen erkennen, dass dies ihre Mission ist, dies ihre PrioritŠt ist. Wir wissen genau, wir haben klare Beweise, dass MassenŸberwachung nicht unser Terroristenproblem lšst. Es gibt Ÿberzeugende Beweise dafŸr, dass sie noch nicht einmal substantiell hilft, und es gibt einiges Beweismaterial dafŸr, dass sie tatsŠchlich schadet. Woraus sich natŸrlich unweigerlich die Frage ergibt: "Na gut, warum machen wir das denn?"


Diese Organisationen sind nicht dumm. Sie haben viele Experten, sie haben riesige, enorme Budgetmittel. Also, warum machen sie es? Und die Antwort ist eigentlich ziemlich offensichtlich: Vielleicht ist das alles nicht wirksam, um Terrorismus zu verhindern, aber natŸrlich muss es wirksam sein gegen irgendetwas anderes. Das ist die RealitŠt hinter der †berwachung: Diesen Programmen ging es nie um Terrorismus. Es geht ihnen um Wirtschaftsspionage, diplomatische Manipulationen und gesellschaftliche Kontrolle. Letzendlich geht es ihnen um Macht, um den Gewinn von Einfluss gegenŸber anderen Gruppierungen innerhalb unserer Gesellschaft und in der Welt." Zitat: Edward SnowdenÊin der VolksbŸhne Berlin,Ê22.9.2016


(5) Dr. Ulf Buermeyer, LL.M., "Netzwerkdurchsetzungsgesetz - Face­book-Justiz statt wirk­samer Straf­ver­fol­gung", 24.03.2017


(a)ÊLetztlich wŠre der Gesetzgeber wohl gut beraten, in dieser Legislaturperiode alleine ¤ 5 des Gesetzentwurfs (inlŠndische Kontaktstelle fŸr Gerichte und Strafverfolgungsbehšrden) in Kraft zu setzen, ergŠnzt um kurze Reaktionsfristen und harte Bu§gelder.


Ob es eines rechtsstaatlich bedenklichen Lšsch-Regimes in sozialen Netzwerken Ÿberhaupt noch bedarf, wenn zivil- wie strafrechtlich endlich wirksam gegen "Hass-Prediger" vorgegangen werden kann, sollte nach der Bundestagswahl zunŠchst in Ruhe evaluiert werden.Ê


(b) .... Schlie§lich lŠsst der Gesetzentwurf die Gefahr au§er Acht, dass ein soziales Netzwerk aus Furcht vor Bu§geldern dazu Ÿbergehen kšnnte, auf eine rechtliche PrŸfung zu verzichten und stattdessen Inhalte auf Zuruf zu lšschen Ð ganz gleich, ob sie rechtswidrig sind oder nicht. Das NetzDG lie§e dies zu, denn ¤ 3 Abs. 2 Nr. 2 und 3 NetzDG verlangen von einem Netzwerk lediglich, dass es rechtwidrige Inhalte lšscht, nicht aber, dass es rechtmŠ§ige unberŸhrt lŠsst. Dies erklŠrt sich vermutlich daraus, dass die derzeit relevanten Netzwerke eher zu wenig lšschen, zeugt aber von mangelndem Problembewusstsein: Der Entwurf des NetzDG hŠtte absehbar erhebliche Auswirkungen auf die Meinungsfreiheit, insbesondere auf všllig legale, aber unpopulŠre MeinungsŠu§erungen, die schnell mutwillige Lšsch-Begehren auf sich ziehen. Damit schafft der Entwurf massive Anreize fŸr "Overblocking" in sozialen Netzwerken.

Dem kšnnte der Entwurf begegnen, indem er verlangt, dass zwar rechtswidrige Inhalte gelšscht werden, rechtmŠ§ige aber nicht. Dies wŸrde freilich zu einigen Friktionen fŸhren, weil sich die Hausregeln vieler sozialer Netzwerke nicht mit der Rechtslage in Deutschland decken, weswegen sie schon heute dazu neigen, všllig legale Inhalte zu lšschen Ð ein Klassiker auf Facebook sind willkŸrlich gelšschte nicht sexualisierte Abbildungen der weiblichen Brust, etwa stillende MŸtter. Dieser Herausforderung mŸsste sich der Gesetzgeber aber stellen, wenn er Ÿberhaupt ein Lšsch-Konzept verfolgen will. Im Lichte von Art. 5 Abs. 1 des Grundgesetzes kann jedenfalls nicht mšglichst schnelles, sondern allein mšglichst treffsicheres Lšschen das Ziel eines NetzDG sein.

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From: Pflugradt Jeannine Mitarbeiter 02 <jeannine.pflugradt.ma02@bundestag.de>

Subject: Ihre Mail an Christoph StrŠsser, MdB vom 31.05.2017

Date: 22. Juni 2017 12:24:12 MESZ

To: Joachim Gruber <jochen.gruber@acamedia.info>


vielen Dank fŸr Ihre E-Mail an meinen Kollegen Christoph StrŠsser, MdB. Da Sie in meinem Wahlkreis wohnen, hat er mich gebeten, Ihnen zu antworten. Gerne komme ich diesem Wunsch nach.

GegenwŠrtig erleben wir massive VerŠnderungen des gesellschaftlichen Diskurses im Netz und insbesondere in den sozialen Netzwerken. Umschrieben werden diese PhŠnomene mit Begriffen wie ãFake NewsÒ und ãHassredeÒ.


Ich bin der Ansicht, dass gezielte strafbare Falschmeldungen, Propaganda und immens zunehmende Hassrede, die nicht effektiv bekŠmpft und verfolgt werden kšnnen, eine gro§e Gefahr fŸr das friedliche Zusammenleben und fŸr die freie, offene und demokratische Gesellschaft bergen. Es ist daher eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, ein digitales Umfeld zu schaffen, in dem Hassrede, Verleumdung, Beleidigung und gezielte strafbare Falschmeldungen keinen Platz haben. Das vorliegende Gesetz will dafŸr sorgen, dass Unternehmen sich ihrem gesellschaftlichen Anteil an Verantwortung nicht entziehen kšnnen. Die SPD-Bundestagsfraktion unterstŸtzt daher das Ziel des Gesetzentwurfes, die Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken zu verbessern.


Mit dem Gesetzentwurf sollen verbindliche Standards fŸr ein wirksames und transparentes Beschwerdemanagement gesetzt werden. Betreiber sozialer Netzwerke werden verpflichtet, offensichtlich strafbare Inhalte spŠtestens 24 Stunden nach Eingang der Beschwerde zu lšschen oder zu sperren, in komplizierten FŠllen soll spŠtestens binnen 7 Tagen entschieden werden. Hierzu mŸssen sie ein leicht erkennbares, unmittelbar erreichbares und stŠndig verfŸgbares Verfahren zur †bermittlung von Beschwerden Ÿber strafbare Inhalte anbieten und die Beschwerden unverzŸglich zur Kenntnis nehmen sowie auf strafrechtliche Relevanz prŸfen.


Zum Umgang mit Beschwerden Ÿber strafbare Inhalte auf ihren Plattformen mŸssen soziale Netzwerke kŸnftig šffentlich Bericht erstatten. Mit dem Gesetz schaffen wir zudem die Verpflichtung fŸr Unternehmen, in Deutschland eine Zustellperson fŸr Klagen und Strafverfahren zu benennen. Ich halte das fŸr einen erforderlichen und richtigen Meilenstein im Kampf gegen Hass und Hetze im Internet. Denn dann kšnnen Opfer endlich in Deutschland ihre AnsprŸche geltend machen und mŸssen etwa Unterlassungsklagen nicht mehr in Irland oder sonst wo einreichen.


Zuwiderhandlungen gegen diese Verpflichtungen werden mit empfindlichen Bu§geldern geahndet.


NatŸrlich nehme ich Ihre geŠu§erte Kritik an dem Gesetz ernst. Sie kšnnen versichert sein, dass wir GrŸndlichkeit walten lassen werden, die vorgetragene Kritik prŸfen und VerbesserungsvorschlŠge aufgreifen. (Hervorhebung hinzugefŸgt von J. Gruber)


Das Recht auf Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut und schŸtzt den offenen Diskurs in einer lebendigen Demokratie. Aber: Die Meinungsfreiheit endet da, wo das Strafrecht beginnt. FŸr strafbare Hetze, Verunglimpfung oder Verleumdung darf in den sozialen Netzwerken genauso wenig Platz sein, wie auf der Stra§e.

Zudem wird oft Ÿbersehen, dass das Gesetz keine neuen StraftatbestŠnde und auch keine neue Lšschverpflichtung fŸr soziale Netzwerke schafft, sondern lediglich die bereits heute bestehenden Pflichten konkretisiert. So haften Betreiber von sozialen Netzwerken bereits heute, wenn sie nicht tŠtig werden, sobald sie von Rechtsverletzungen ihrer Nutzer Kenntnis bekommen. Allerdings hat sich gezeigt, dass bisherige Instrumentarien und die zugesagten Selbstverpflichtungen nicht ausreichend greifen und dass es erhebliche Probleme bei der Durchsetzung des geltenden Rechts gibt.


Das vorliegende Gesetz schafft daher einen erweiterten Ordnungsrahmen fŸr soziale Netzwerke und stellt klar, dass Betreiber sozialer Netzwerke ein effektives Beschwerdemanagement vorhalten mŸssen, um ihren bereits heute bestehenden gesetzlichen Verpflichtungen besser nachkommen zu kšnnen.


Es geht bei dem von Ihnen kritisierten Netzwerkdurchsetzungsgesetz also nicht um eine EinschrŠnkung der Meinungsfreiheit oder um Zensur, es geht um die Durchsetzung des geltenden Rechts und um die Verfolgung von Rechtsverletzungen - auch in den sozialen Netzwerken.


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Jeannine Pflugradt, MdB

Platz der Republik 1

11011 Berlin

Telefon: 030 / 227 75871

Fax: 030 / 227Ê 76873

jeannine.pflugradt.ma02@bundestag.de

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Subject: Re: Ihre Mail an Christoph StrŠsser, MdB vom 31.05.2017

From: Jochen Gruber <jochen.gruber@acamedia.info>

Date: 25. Juni 2017 11:52:18 MESZ

To: Pflugradt Jeannine Mitarbeiter 02 <jeannine.pflugradt.ma02@bundestag.de>


.... Danke fŸr die ErlŠuterungen Ihrer Position zum NetzDG. Besonders Ihre Versicherung (kursiv oben hervrgehoben) gibt mir Zuversicht. Als juristischer Laie finde die konstruktive Analyse von Ulf Buermeyer, Richter am Landgericht Berlin, hilfreich, speziell die hier im Anhang zitierte Empfehlung (NetzwerkDG sollÊverlangen, dass rechtswidrige Inhalte gelšscht werden, rechtmŠ§ige aber nicht).Ê

...

ANHANG

Auszug aus Dr. Ulf Buermeyer, LL.M., "Netzwerkdurchsetzungsgesetz - Face­book-Justiz statt wirk­samer Straf­ver­fol­gung", 24.03.2017


Schlie§lich lŠsst der Gesetzentwurf die Gefahr au§er Acht, dass ein soziales Netzwerk aus Furcht vor Bu§geldern dazu Ÿbergehen kšnnte, auf eine rechtliche PrŸfung zu verzichten und stattdessen Inhalte auf Zuruf zu lšschen Ð ganz gleich, ob sie rechtswidrig sind oder nicht. Das NetzDG lie§e dies zu, denn ¤ 3 Abs. 2 Nr. 2 und 3 NetzDG verlangen von einem Netzwerk lediglich, dass es rechtwidrige Inhalte lšscht, nicht aber, dass es rechtmŠ§ige unberŸhrt lŠsst. Dies erklŠrt sich vermutlich daraus, dass die derzeit relevanten Netzwerke eher zu wenig lšschen, zeugt aber von mangelndem Problembewusstsein: Der Entwurf des NetzDG hŠtte absehbar erhebliche Auswirkungen auf die Meinungsfreiheit, insbesondere auf všllig legale, aber unpopulŠre MeinungsŠu§erungen, die schnell mutwillige Lšsch-Begehren auf sich ziehen. Damit schafft der Entwurf massive Anreize fŸr "Overblocking" in sozialen Netzwerken.

Dem kšnnte der Entwurf begegnen, indem er verlangt, dass zwar rechtswidrige Inhalte gelšscht werden, rechtmŠ§ige aber nicht. Dies wŸrde freilich zu einigen Friktionen fŸhren, weil sich die Hausregeln vieler sozialer Netzwerke nicht mit der Rechtslage in Deutschland decken, weswegen sie schon heute dazu neigen, všllig legale Inhalte zu lšschen Ð ein Klassiker auf Facebook sind willkŸrlich gelšschte nicht sexualisierte Abbildungen der weiblichen Brust, etwa stillende MŸtter. Dieser Herausforderung mŸsste sich der Gesetzgeber aber stellen, wenn er Ÿberhaupt ein Lšsch-Konzept verfolgen will. Im Lichte von Art. 5 Abs. 1 des Grundgesetzes kann jedenfalls nicht mšglichst schnelles, sondern allein mšglichst treffsicheres Lšschen das Ziel eines NetzDG sein.

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ANHANGÊ


Netzwerkdurchsetzungsgesetz: Facebook-Justiz statt wirksamer Strafverfolgung?.

Dr. Ulf Buermeyer, LL.M.,

Legal Tribune Online, 24.03.2017

(im Cache)


Der Autor Dr. Ulf Buermeyer, LL.M. (Columbia) ist Strafrichter am Landgericht Berlin und Vorsitzender der Gesellschaft fŸr Freiheitsrechte e.V. (GFF).

AuszŸge

Einzelne SchwŠchen des Entwurfs: Nutzergrenze, Bu§geldschwelle

... Die gute Nachricht zuerst: Heiko Maas will sich des Problems der Hassreden und der Fake News in sozialen Netzwerken annehmen, aber keine neuen Strafgesetze schaffen. Das ist richtig: Fake News sind bereits heute unter vielerlei Aspekten strafbar. Die Auschwitz-LŸge kann regelmŠ§ig als Volksverhetzung sanktioniert werden, unwahre Behauptungen Ÿber Personen als Verleumdung oder als Ÿble Nachrede. Sogar noch mehr TatbestŠnde stellen "Hate Speech" unter Strafe, etwa als šffentliche Aufforderung zu Straftaten, Volksverhetzung, Beleidigung oder Bedrohung. Der Spielraum des Gesetzgebers fŸr weitere "Wahrheitspflichten" wŠre im Lichte der Meinungsfreiheit minimal, die verfassungsrechtlichen Risiken hingegen immens.


So wenig beim materiellen Recht nachgebessert werden muss, so sehr mangelt es aber derzeit an dessen effektiver Durchsetzung. Hier hat sich das BMJV entschieden, das Augenmerk nahezu ausschlie§lich auf die Durchsetzung durch private Akteure Ð nŠmlich die Plattformen selber Ð zu legen. Eine wirksamere Strafverfolgung der Menschen, die Hass im Netz verbreiten, kommt im Gesetzentwurf hingegen kaum vor. Diese Schwerpunktsetzung ist verfehlt: Zum einen sollten nicht soziale Netzwerke, sondern die Justiz entscheiden, wo die Grenzen der erlaubten MeinungsŠu§erung verlaufen, zum anderen ist (blo§es) Lšschen auch wenig effektiv, weil es nicht daran hindert, stets neue Hassbotschaften ins Netz zu stellen.


NetzDG sanktioniert systemisches Versagen, nicht einzelne Fehler

HerzstŸck des NetzDG-E ist jedoch die Definition bestimmter prozeduraler Pflichten im Umgang mit Beschwerden Ÿber Inhalte: Nach ¤ 3 NetzDG-E mŸssen soziale Netzwerke ein "wirksames und transparentes Verfahren" fŸr den Umgang mit Beschwerden Ÿber rechtswidrige Inhalte vorhalten. Insbesondere mŸssen "offensichtlich rechtswidrige" Inhalte binnen 24 Stunden gelšscht oder gesperrt werden, einfach nur rechtwidrige Inhalte binnen einer Woche. Verwirrenderweise ist der Begriff des "rechtswidrigen" Inhalts im NetzDG indes anders zu bestimmen als Ÿberall sonst im deutschen Recht: Er umfasst nŠmlich nicht etwa einen Versto§ gegen die Rechtsordnung schlechthin, sondern lediglich einen Versto§ gegen die in ¤ 1 Abs. 3 NetzDG-E abschlie§end aufgezŠhlten StraftatbestŠnde. Im NetzDG sollte daher konsequent eine andere Formulierung als "rechtswidrig" gewŠhlt werden, wenn lediglich ein solcher Rechtsversto§ gemeint ist, etwa "rechtswidrig im Sinne des ¤ 1 Absatz 3", da ansonsten MissverstŠndnisse vorprogrammiert sind.


Im Zweifel gegen die Meinungsfreiheit?

Schlie§lich lŠsst der Gesetzentwurf die Gefahr au§er Acht, dass ein soziales Netzwerk aus Furcht vor Bu§geldern dazu Ÿbergehen kšnnte, auf eine rechtliche PrŸfung zu verzichten und stattdessen Inhalte auf Zuruf zu lšschen Ð ganz gleich, ob sie rechtswidrig sind oder nicht. Das NetzDG lie§e dies zu, denn ¤ 3 Abs. 2 Nr. 2 und 3 NetzDG verlangen von einem Netzwerk lediglich, dass es rechtwidrige Inhalte lšscht, nicht aber, dass es rechtmŠ§ige unberŸhrt lŠsst. Dies erklŠrt sich vermutlich daraus, dass die derzeit relevanten Netzwerke eher zu wenig lšschen, zeugt aber von mangelndem Problembewusstsein: Der Entwurf des NetzDG hŠtte absehbar erhebliche Auswirkungen auf die Meinungsfreiheit, insbesondere auf všllig legale, aber unpopulŠre MeinungsŠu§erungen, die schnell mutwillige Lšsch-Begehren auf sich ziehen. Damit schafft der Entwurf massive Anreize fŸr "Overblocking" in sozialen Netzwerken.


Dem kšnnte der Entwurf begegnen, indem er verlangt, dass zwar rechtswidrige Inhalte gelšscht werden, rechtmŠ§ige aber nicht. Dies wŸrde freilich zu einigen Friktionen fŸhren, weil sich die Hausregeln vieler sozialer Netzwerke nicht mit der Rechtslage in Deutschland decken, weswegen sie schon heute dazu neigen, všllig legale Inhalte zu lšschen Ð ein Klassiker auf Facebook sind willkŸrlich gelšschte nicht sexualisierte Abbildungen der weiblichen Brust, etwa stillende MŸtter. Dieser Herausforderung mŸsste sich der Gesetzgeber aber stellen, wenn er Ÿberhaupt ein Lšsch-Konzept verfolgen will. Im Lichte von Art. 5 Abs. 1 des Grundgesetzes kann jedenfalls nicht mšglichst schnelles, sondern allein mšglichst treffsicheres Lšschen das Ziel eines NetzDG sein.


3/3: Selbst perfekte Umsetzung des NetzDG wŠre keine Lšsung

Deswegen mŸsste eine effektive BekŠmpfung von Hate Speech und Fake News vor allem bei deren Urhebern ansetzen: Die Verantwortlichen mŸssen wirksam strafrechtlich verfolgt werden. Dies scheitert bisher von allem an der fehlenden Kooperation zwischen sozialen Netzwerken und Strafverfolgungsbehšrden: AuskŸnfte zu den Urhebern mutma§lich strafbarer Inhalte mŸssten zwar gem. ¤¤ 14, 15 des Telemediengesetzes eigentlich heute schon erteilt werden, in der Praxis funktioniert dies jedoch allenfalls bei Delikten der SchwerstkriminalitŠt. Insbesondere in FŠllen von €u§erungsdelikten versanden Anfragen, weil die Unternehmen ihren Sitz im Ausland haben, nicht freiwillig kooperieren und der Rechtshilfeweg nicht praktikabel ist.




Version 25.6.2017

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Joachim Gruber