CafŽ Haberland

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Kunst und Kultur im Bayerischen Viertel von Berlin

AuszŸge aus "Kunst und Kultur", im Zeitungsformat im Cafe ausgelegt und verfasst im Rahmen der Berliner Geschichtswerkstatt


Albert Reimann (1874-1976), Clara Reimann (1874-1956): Kunst- und Gewerbeschule Reimann

Heinz Reimann (London): Reimann School and Studios, Hugo HŠring: Kunst und Werk, private Schule fŸr Gestaltung


Max Beckmann (1884-1950), 1904-1907 in Berlin, 

nach 1905 gro§formatige Bilder voller Dramatik und Gewalt, Kampfmotive ("Die Schlacht"), 

1910 jŸngstes Mitglied und im Vorstand Êder Berliner Sezession, 

1915+ nach Ffm: "am ganzen Elend" teilnehmen, sich "dem schaurigen Schmerzensgeschrei der armen getŠuschten Menschen" aussetzen. 

"Die Nacht" (1918/19): mšrderischer †berfall auf eine Familie


Alice Salomon (1872-1948): Kunst, Kultur und Bildung fŸr soziale Gerechtigkeit


Ilse Blumenthal-Weiss (1899-1987): Turnlehrerin, OrthopŠdin, verheiratet mit Zahnarzt, 1929: Gedichtesammlung "Gesicht und Maske", regelmŠ§ige Gedichte in der Vossischen Zeitung. "Der Sonderling", "Der BŸrger", "Der einsame Mensch", "Die TŠnzerin", "Der Redner", "Der dŠmonische Mensch", sozialen Typus in seinem Wesen erfassen, deutlicher Einfluss von R-M Rilkes "Dinglyrik", Korrespondenz mit RMR. spŠte Lyrik: Erfahrungen der KZ-Lager, Vernichtung, Qualen der †berlebenden, Emigration nach NYC, 20 Jahre am Leo-Baeck-Institut, gestorben in Greenwich, Connecticut. (Textexzerpte: Reinhard von Bernus)

einige Texte


Der BŸrger

Ilse Blumenthal-Weiss

Immer mu§ er sich sichtbar ernst nehmen,

ohne eigentlich irgendwie abzuweichen.

Von allen GegensŠtzen, Entscheidungen, Extremen

wŠhlt er bedachtsam die Mitte. Die Zeichen


der Welt schweigen zu seinen GebŠrden

und wollen das Dasein in keine Ekstase tragen.

Alle Erregungen brechen wie Hypochonder-Beschwerden 

zusammen vor seinem BŸrger-Behagen.


Immer umgrenzt ihn die Sicherheit dauernder Sitten,

um das Wort "ich" durch "MajoritŠt" zu ersetzen.

†berlieferung kittet die Glieder. In mitten

zahlloser Freunde gedeiht er zu hšchstem Ergštzen.


Schwach ist Êund zuzeiten fast Šngstlich sein Wesen,

das sich nur an den anderen weiterleitet.

In manchen BŸchern hat er von Liebe gelesen,

und es mag sein, da§ er sich vorbereitet,


einmal die StŠrke dieser Empfindung zu leben.

Aber da zeigt sich, da§ er vor lauter Bewahren

nicht mehr die Kraft hat, sich restlos preiszugeben.

Liebe -er wei§ nicht, da§ Welterfahren


und Weitergehen um ihre ErfŸllung kreisen,

Schreie des Herzens, einsame TrŠnennŠchte,

Wege und WŠlder, die niemals den Ausweg weisen,

tiefes Vergessen, Vergeben! Wann brŠchte


je ihm ein Augenblick solches Verbleiben!

Seht, wie er wieder versinkt im alltŠglichen Kreise!

Dankbar trŠgt er der Tage duldsames Treiben,

und so altert er wohltemperiert zum Greise.


Ernst Wei§ (1882 - 1940)

Arzt und Schriftsteller aus Prag

gilt als Meister des psychologischen Romans.

endgŸltig nach Berlin

produktive Jahre in Berlin,1923 vier neue Werke, trotzdem tristes Leben.

1933 ins Exil nach Paris, elendes Leben. 1940 deutsche Armee vor Paris, Walter Mehring und Herta Pauling versuchen vergebens, ihn zum Verlassen der Stadt zu bewegen. Selbstmord in Hotel im Quartier Latin einen Tag nach dem Einmarsch deutscher Truppen


Johanna Bleschke alias Rahel Sanzara

* 1894 in Jena, 

1913 nach Berlin gezogen

Ausbildung zur Buchbinderin

Geliebte von Ernst Wei§, bis der 1. Weltkrieg sie trennt.

macht nach Arbeiten in Lazaretten eine Ausbildung als TŠnzerin bei Ria Sacchetti in Berlin

Wei§ schreibt eigens fŸr sie ein expressionistes Tanzdrama "Tanja", aufgefŸhrt 1919 im deutschsprachigen Theater in Prag. StŸck "mŸhsam und verquŠlt", ihre Leistung aber begeistert.

Niedergang der deutschsprachigen Literaturszene in Prag. RS erarbeitet sich Schauspielkarriere in MŸnchen und Darmstadt.

- Ernst Wei§ geht endgŸltig nach Berlin ("ein Prager im Exil") -

Rachel Sanzara feiert glanzvolle Erfolge, aber 1924 drastischer Misserfolg in Berlin, Ende der Tanz- und Schauspielkarriere.

Beziehung zu Wei§ immer wieder unterbrochen und extrem schwierig wegen Wei§' stŠndiger Abenteuer

1925 Roman "Das verlorene Kind": Sexualmord an einem Kind im Brandenburgischen, Vertuschung, Entdeckung, Selbstkastration des Mšrders. Heftige Protestre und begeisterte BegrŸ§ung, Bestseller 1926, in 11 Sprachen Ÿbersetzt - Ÿbertrifft alle Romane von Wei§.

1933 auf verschiedene NS-Listen von Autoren mit Schreibverbot gesetzt. Ihr Buch aus šffentlichen Bibliotheken entfernt und verbrannt.

Gilt wegen ihres Namens den Nazis als JŸdin, was sie nicht richtigstellen mag ("wŠre schŠbig").

Schwere Krankheit Krebs, stirbt 1936 in Berlin (Textexzerpte: Reinhard von Bernus)


10 Grundregeln, die Ÿber momentane und prinzipielle Lebensschwierigkeiten hinweghelfen sollen.

  1. FŸnf AtemŸbungen
  2. Oberkšrper kalt waschen.
  3. Ei quirlen
  4. Hochbahn fahren
  5. 10 Uhr schlafen gehen
  6. Milch trinken
  7. Menschen anschlie§en
  8. Nie weinen: gleich essen
  9. VorwŠrts, vorwŠrts, nicht zurŸcksehen!


Alfred Kerr

Walter Leistikow (1865 - 1908)

Gedicht von. A.Kerr

Dunkler See und KiefernstŠmme

ernst und ehrlich anzuschaun.

Acht umbuschte HšhenkŠmme,

WipfeldŠcher, grŸnlichbraun.


Und das Licht zum Abstieg neigend

am geklŠrten Horizont.

Und der Grunewald wie schweigend

von dem kargen Schein besonnt.


Fest und still im Schmucklos-Schlichten,

auch der dŸrft'gen Schšnheit froh,

fein (besonders im Verzichten ...).

Das war Walter Leistikow.


(vergleiche damit

Ršmische FontŠne. Borghese (1906)

Rainer Maria Rilke


Zwei Becken, ein das andre Ÿbersteigend

Aus einem alten runden Marmorrand,

und aus dem oberen Wasser leis sich neigend

zum Wasser, welches unten wartend stand,


dem leise redenden entgegenschweigend

und heimlich, gleichsam in der hohlen Hand

ihm Himmel hinter GrŸn und Dunkel zeigend

wie einen unbekannten Gegenstand;


sich selber ruhig in der schšnen Schale

verbreitend ohne Heimweh, Kreis aus Kreis,

nur manchmal trŠumerisch und tropfenweis


sich niederlassend an den MoosbehŠngen

zum letzten Spiegel, der sein Becken leis

von unten lŠcheln macht mit †bergŠngen.)


Amalia Janke alias Lya de Putti

"Bardot der 1920er Jahre", man kleidete sich wie Lya, man trug Ponnies und spielte Vamp. 1921 in USA "The Vamp of Berlin".

Schreibt Groschenheft-Romanzen, in denen sie das Opfer finsterer Machenschaften spielt. Privates Leben findet in Presse breites Echo, unablŠssige Folge von heftigen LiebesaffŠren, EifersuchtsanfŠllen, Diven-Gehabe, Einfluss von Alkohol und Kokain, Theatralik und Verzweiflung.

weltweit beachtete Filme, gro§e schauspielerische Leistungen, Murnaus "Der brennende Acker", Duponts "VarietŽ" produziert vom Erich Pommer.

beachtliche Schulden in Berlin, amtsgerichtliche PfŠndung ihres Autos

1926 nach Hollywood, nicht die erhoffte Entwicklung. Als braunŠugig dunkler Typ mit ungarisch-deutschem Akzent kein "all American girl".

1931 Tod als Folge eines Hungerstreiks, um Heirat mit Walter Blumental zu erzwingen. (Textexzerpte: Reinhard von Bernus)


Alexander Friedrich Rosenfeld alias Roda Roda

* 1872 in Drnovice/MŠhren

1892 - 1903 als Berufsoffizier in k.u.k. Armee, satirische Angriffe gegen sie, deswegen 1903 daraus entlassen.

1904 - 1906 in Berlin, danach MŸnchen, Paris, 1920 zurŸck nach Berlin.

Aphorismen, Anekdoten und SchwŠnke auf verschiedenen BŸhnen. arbeitet fŸrs Theater, auch immer šfter fŸr den Film

NSDAP-Zeitung "Der Angriff" rief zur "UnschŠdlichmachung" Roda Rodas auf.

Rechtzeitig gewarnt flieht er am 9.3.1933 aus Deutschland, stirbt 20.8.1945 in New York.


Poetik

von Roda Roda

Ein Mann allein: Lyrik

Zwei MŠnner: Ballade

Ein Mann und eine Frau: Novelle

Zwei Frauen und ein Mann: Roman

Zwei MŠnner und eine Frau: Drama

Zwei MŠnner und zwei Frauen: Lustspiel


Aus einem Buch abschreiben, gibt ein Plagiat.

Aus zwei BŸchern abschreiben, gibt ein Essay.

Aus drei BŸchern wird eine Dissertation,

aus vier BŸchern ein fŸnftes gelehrtes Buch.


Artur Landsberger

1876 - 1933

Ein jŠh vergessener Erfolgsautor

alte jŸdische Berliner Textilunternehmer-Familie, hochvermšgend, verliert durch Hyperinflation 1923 sein Vermšgen, muss dann aus Erlšsen seiner literarischen TŠtigkeit leben.

Meistgelesener Romanautor in Deutschland, Auflagen in den Hunderttausenden, drei Jahrzehnte fŸr das jeweilige zeitgenšssische Publikum, spŠtwilhelminisch, Zeit des Ersten Weltkriegs, "Goldene Zwanziger".

dialogischer Stil, Geist des Boulevardtheaters, Situationskomik, Verwechslungen, komische Charaktere, glŸcklkches Ende, Lustspiele, Film DrehbŸcher, etwas Sozialkritik, Kriegs- und Krisengewinnler, rŸcksichtslos, eitle Neureiche, BŸrger in kriminellen Machenschaften aus Angst vor Abstieg, verlogene Sexualmoral.

vielfach Autobiographisches.

Nicht Ÿblicher Roman "Berlin ohne Juden" 1925: eine všlkische Bewegung kommt an die Macht, hetzt die Bevšlkerung antisemitisch auf, erlŠst zunehmend schŠrfere Gesetze. Juden werden nter Todesstrafe gehwungen, Deutschland zu verrassen. Ende optimistisch: Boykott aus dem Ausland lŠsst Deutschland veršden, Demokraten und Sozialisten gewinnen im Parlament die Oberhand, die vertriebenen Juden kehren zurŸck ins geliebte Deutschland.

1922 auf der Todesliste, Landsbergs Antwort 1925: "Ich versicherte mein Leben und lernte boxen, denn -sagte ich mir - es ist immerhin mšglich, da§ es auch unter Všlkischen Helden gibt, die - von vorn angreifen." 1933 sind Verlage "gleich geschaltet", kann nicht weiter publizieren, seine BŸcher werden verbrannt, von Verhaftung bedroht, am 4. Oktober Selbstmord mit Veronal. (Textexzerpte: Reinhard von Bernus)



Anna Seghers - Das Erlebnis der SolidaritŠt (1900 - 1983)

neue politische Weichenstellungen polarisieren k. Rechte und Linke, Nationalsozialisten und Kommunisten. Demonstrationen, Stra§enkŠmpfe.

Studium der Geschichte, Kunstgeschichte, Sinologie, Doktortitel.

1926 nach Berlin mit ihrem Ehemann, dem ungarischen Soziologen. Bis 1932.

1928 erstes Buch "Aufstand der Fischer von Santa Barbara"


In den 20er und frŸhen 30er Jahren verlorener Krieg, Ende der Monarchie, Weltwirtschaftskrise bewirken 15 unruhige Jahre, die in ÊRechte und Linke, Nazionalsozialisten und Kommunisten, in BŸrgerlich-Konservative und Sozialdemokraten polarisieren.


"Vom Sockel herunter warf eine Stimme Sacco-Vanzetti-Proteste-Klassenjustiz in die offenen hochgehobenen Sirenen.

Nein, sie werden nicht sterben. Der Fremde glaubte nicht daran. Die Frau glaubte es auch nicht, auch nicht der Mann an ihrer Seite. Auch der Kleine dachte: Nein, sie werden nicht sterben. (...) Sein Herz zog sich in einer verzweifelten Anstrengung zusammen, die genŸgt hŠtte, um heilige Ÿbermenschliche Taten zu verrichten, fiel wieder auseinander in mŸder, gleichgŸltiger Trauer. Sie werden sicher sterben. Bomben waren ebenso nutzlos wie Bitten, der ganze Umzug war nutzlos. (...) Er sagte: "Sie werden bestimmt sterben." Der Mann begriff es, verlor sofort seinen Glauben und stimmte bei. "Die sind vielleicht schon tot, man wird sie schon heimlich gehenkt haben. Da nutzt alles nichts."


Aus einer Êlinken unbewachten Stra§e kam gerade der letzte gro§e Zug aus dem SŸdvorort an. Die AbgedrŠngten stŸrzten zurŸck, die Polizei wurde wieder auseinandergedrŸckt, der Platz fŸllte sich von neuem bis zum Rand. Die Frau wurde noch einmal herumgerissen, so fest wurde ihr Kšrper in den Platz hineingeknetet, da§ sie ihn selbst noch mehr herausfand; ihr Gesicht wurde gegen die vergoldeten StŠbe des Gittertors gepresst. Aus dem Gesicht des Mannes fiel die MŸrrischkeit wie Mšrtel herunter. Es war unmšglich, da§ es im ganzen Haus auch nur einen Winkel gab, in dem man sie nicht rufen hšrte."


Im Zentrum "der Fremde" (Prototyp vieler spŠterer Gestalten der Anna Seghers) gerade erst in der Stadt angekommen, unversehens in einen Protestmarsch geraten. Marcel Reich-Ranitzki: "Teilnahme Êversetzt in einen Rausch, somnambul, ekstatisch, schreit erst mit, will sich všllig sinnlos opfern." Anna Seghers kritisiert das nicht, verherrlicht es vielmehr. Indem sich dieser einsame Fremde der Demonstration anschlie§t, Ÿberwindet er erst seinen Individualismus und lernt das beglŸckende GefŸhl der Zugehšrigkeit zu einer Gemeinschaft kennen. Nicht Herdentrieb, sondern das Erlebnis der SolidaritŠt. Autobiographisch, weil kurz nach Anna Seghers' Beitritt zur Kommunistischen Partei 1928 geschrieben, psychischer Untergrund des VerhŠltnisses zum Kommunismus. (Textexzerpte: Reinhard von Bernus)



Walter Benjamin (1892 - 1940)

1930 im Herbst: Atelierwohnung in der Berliner Prinzregentenstra§e 66, "kleine Schreibfabrik, klimatisch und optisch von KŠlte frei", tiefe Stille und moderner Komfort, Cousin mit Familie im selben Haus. Benjamjn bis 1933 dort, dann Flucht und Selbstmord in den PyrenŠen.

Mai/Juni 1931: Aufenthalt an der Cote d'Azur mit Brecht, Diskussion der Typologie des Wohnens ("Autobiographische Schriften Mai/Juni 1931"). "merkwŸrdiger Nachmittag. Diskurs nahm durch meinen Einwand eine sonderbare Wendung. Untersuchung von Verhaltensweisen: mein Lieblingsgegenstand: das Wohnen. Brecht sehr lebhaft kam zur au§ergewšhnlichen Darstellung seiner Art zu wohnen, anders als ich. Dialektische Verhaltungsweisen, in PolaritŠt. 

Beides Extreme und pathologisch, auseinanderstrebend das Eine und zusammenkommend das Andere. Der Mensch als Funktion der Verrichtungen, welche die Requisiten von ihm verlangen. Hier ein ganz anderes VerhŠltnis zur Dingwelt als im mitahmenden Wohnen. Dinge, ob Eigentum oder nicht, werden ernst genommen, leisten was BŸhneneinrichtung leistet, Einrichtung vs. Interieur. Dagegen das Hausen, zerstšrendes Wohnen ohne Gewohnheiten, weil es die Dinge, ihre StŸtzpunkte, fortschreitend wegrŠumt.



Gottfried Benn - ein umstrittener Lyriker (1886 - 1956)


Das sind doch Menschen, denkt man,

wenn der Kellner an einen Tisch tritt,

einen unsichtbaren,

Stammtisch oder dergleichen in einer Ecke,

das sind doch ZartfŸhlende, GenŸsslinge

sicher auch mit Empfindungen und Leid.


So allein bist du nicht

in deinem Wirrwar, Unruhe, Zittern,

auch da wird Zweifel sein, Zaudern,

Unsicherheit.

wenn auch in GeschŠftsabschlŸssen,

das Allgemein-Menschliche,

zwar in Wirtschaftsformen,

auch dort.


Unendlich ist der Gram der Herzen

und allgemein,

aber ob sie je geliebt haben

(au§erhalb des Bettes)

brennend, verzehrt, wŸstendurstig

nach einem Gaumenpfirsichsaft

aus fernem Mund,

untergehend, ertrinkend

in Unvereinbarkeit der Seelen -

das wei§ man nicht, kann auch

den Kellner nicht fragen,

der an der Registrierkasse

das neue Helle eindrŸckt,

des Bons begierig,

um einen Durst zu lšschen anderer Art,

doch auch von tiefer.


Gottfried Benn ist Arzt fŸr Haut und Geschlechtskrankeiten sein Leben lang.

8 Gedichte in Kurt Pinthus' 1919 Anthologie "MenschheitsdŠmmerung", expressionistische Lyrik, will dem menschlichen Triebleben zu seinem Recht verhelfen, gegen erstarrte gesellschaftliche Vorschriften und Regeln im preussischen Kaiserreich.


Die vier Kapitel "Sturz und Schrei", "Erweckung des Herzens", "Aufruhr und Empšrung" und "Liebe den Menschen" versammeln Gedichte von wichtigen deutschsprachigen expressionistischen Lyrikern. (Quelle: Wikipedia)


Triebleben soll nicht lŠnger nur als Dunkel, Nacht und Schattenseite sollen gesehen werden. Rausch, Traum und Exzesse im Dienst der Befreiung der individuellen SubjektivitŠt. Naturhafte, nicht-geistige Seite in Gedichte gefasst, von ihr geht alle Sehnsucht aus.

Andere, "gepanzerte" Seite: preist Mitleidslosigkeit im Angesicht eines gnadenlosen Schicksals, einer unerbittlichen Geschichte, in der auch Phasen des Verbrechens notwendig sein sollen, da sie zu Stufen hšherer "Sublimierung", d.h. zur Verfeinerung und Veredelung fŸhren.

Aus dieser KŠlte heraus 1933 Andienerung an NS-Regime. Er sŠubert die Preussische Akademie der KŸnsts, Sektion Dichtung, von regimekritischen Kollegen.

Rundfunk und Essays: die neue Ordnung, vgl. Sparta: fŸr rein militŠrische Ziele mit hŠrtester Erziehung eine Herrenrasse heranziehen, "schlechtgelungene" Kinder gar nicht erst gro§ziehen.

Ende 1934 schnelles Ende der Allianz mit NS nach Klaus Theweleit (Lethen, 2006). Seine Angebote stie§en auf taube bzw. halbtaube Ohren. Keine passende Funktion fŸr ihn im NS ZŸchtungsstaat.

1938 Ausschluss aus der Reichsschrifttumskammer 

(Textexzerpte: Reinhard von Bernus)



Karl Hofer (1878 - 1955), Maler

Verlorenheit des Menschen, verletzliche und verzweifelte Figuren in apokalyptischen Landschaften

1913 und 1919-1934 in Berlin, Grunewaldstra§e 44: seine grš§ten Erfolge, expressiver Realismus, im Mittelpunkt der "Mensch und das Menschliche".

Liebeleere und freudlose Kindheit, zeitweise im Waisenhaus, Stipendium an der "Gro§herzoglichen Kunstschule" in Karlsruhe, schweizerischer MŠzen und Freund: Handelsunternehmer und Kunstfšrderer Theodor Reinhart

1903 - 1913: Studienaufenthalte in Rom, Paris, Indien. Cezanne.

1914 - 1917 Gefangenschaft in franzšsischem Internierungslager, 

1919 Tod von Th. Reinhart - Einfluss auf sein Schaffensstil

1921 Prof. an der Berliner Hochschule fŸr Bildende KŸnste (HfBK): charakteristische, allegorische, meist dŸster-allegorische Bildsprache: Verlorenheit des Menschen, apokalyptische Landschaften ("Schlafende Menschen"), "Selbstbildnis mit DŠmonen" (1922) umringt von Spukgestalten. Gewaltiger Gram aus bleiernen Antlitzen mit verfemten ZŸgen. Gespenstisch anmutende Maskierte, Harlekine, Pierrots, in tiefem Ernst beisammen, "Tischgesellschaften", melancholische Frauenfiguren. Auch pulsierendes Nachtleben in den Varites und Bars der 1920er Jahre in Berlin, Paris, New York: "Tiller Girls"(1927). Zeit grš§ter Erfolge, Ausstellungen im Kunstsalon Paul Cassirer, Alfred Flechtheim, Berliner Secession, Aufnahme in die Preussische Akademie der KŸnste.

Nach 1933 Verlust der Professur, 1937 in Ausstellung "Entartete Kunst", 

1934 Scheidung von Ehefrau Mathilde, die 1942 deportiert, in Auschwitz ermordet wird.

1943: Atelier durch Luftangriff Êzerstšrt, auch die damalige Wohnung in der Speyerer Stra§e 18, mit zweiter Ehefrau Elisabeth Zuflucht in einem Privatsanatorium in Babelsberg

1933 - 1945 ZurŸckgezogenheit "Mann in den Ruinen" (1937), nackt in verheerender TrŸmerlandschaft, Todes- und Vanitasmotive "BerŸhrung Êvom Tode" (1945)



Lotte Laserstein  (1898 - 1993)

Zentrales Thema ihrer Kunst war die emanzipierte, berufstŠtige, mldebewusste "neue Frau" der 1920er Jahre

Malerin der Weimarer Zeit, "leuchtendes Talent", 


1934 ÊFlucht als aus jŸdischer Familie stammend vor Repressionen und bedrohlicher Lage aus NS Deutschland Berlin nach Schweden


1921 Zulassung zur Berliner Akademischen Hochschule fŸr Bildende KŸnste (HfbK), Lehrer Erich Wolfsfeld, zeitlebens von ihr verehrt. Neue Sachlichkeit, Vorbilder Adolph Menzel, Wilhelm Laibl. Menschen ihrer Zeit im Blick. GemŠlde "Im Gasthaus" (1927), zeigt eine Šu§erst selbstbewusst und zugleich sehr nachdenklich wirkende, modisch gekleidete junge Frau, allein an einem Wirtshaustisch (https://goo.gl/images/ww6un9), enge Freundin und Lieblingsmodell Traute Rose, typische junge Frau, mal lŠssig burschikos, mal damenhaft elegant. "In meinem Atelier" (1928), "Abend Ÿber Potsdam" (1930): melancholischds Genrebild ihrer Generation. 1920er und Anfang 1930er Jahre gro§e Erfolge , Vielzahl von Ausstellungen, fast einhellig es Kritikerllb, Ankauf Co "Im Gasthaus" durch Berliner Magistrat. 


Ab 1927 betreibt sie eine private Malschule


Ab 1934 darf sie an keiner šffentlichen Ausstellung mehr teilnehmen


1935 Mal verbot, S hlie§ung der Mal schule, wegen Pšbeleien ihres Vermieters Umzug. Material Angel Arbeiten auf Papier, tiefe Traurigkeit und Beklommenheit.


1937 Ausreise nach Schweden, nie wieder zurŸck nach Deutschland

(Text: AuszŸge aus Beschreibung von Beate Rossie)



…dšn von Horvarth (1901 - 1938)

Manchmal plaudern Start und Ziel miteinander.

Es sagt das Ziel:

"StŠnde ich nicht hier - wŠrest du ziellos!"

Und der Start sagt:

"Das ist schon richtig; doch denke: wŠre ich ziellls - was dann?"

"Das wŠre mein Tod."

Da lŠchelt der Start:

"Ja ja - so ist das Leben, Herr Vetter!"


1923/1924 "18 SportmŠrchen", in …sterreich, Ungarn oder Bayern, aber immer hŠufiger in Berlin, wo Theater und Verlage sich fŸr ihn interessierten. Insbesondere in Wohnung von bestem Freund Ernst Wei§, "Der ewige Spie§er" Ernst Wei§ gewidmet. "Autobiographische Notiz": "Erst mit 14 Jahren schrieb ich den ersten deutschen Satz"


1933 wurden seine sozialkritischen Werke verboten, BŸcher verbrannt. Flucht nach Frankreich, wo erst durch einen herabfallenden Ast ...


1938 in Paris getštet wird.


Bis in die 1960er Jahre fast všllig vergessen, heute seine Werke in den LehrplŠnen der gymnasialen Oberstufen, seine Dramen auf deutschsprachigen SpielplŠnen



Gertrud Kolmar (1894 - 1943)

In tausend kleinen Wassern


Version: 9.12.2018

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