3. KapitelÊ

Der Gott des Glaubens und der Gott der Philosophen


1. Die Entscheidung der frŸhen Kirche fŸr die Philosophie

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Seiten 100 - 101

Das Ende des Mythos und der Sieg des Evangeliums sind, geistesgeschichtlich betrachtet, wesentlich zu erklŠren aus dem gegensŠtzlichen VerhŠltnis, das beide Male 

errichtet worden ist. ... Bereits im Weisheitsbuch, Kapitel 13 bis 15, findet sich der Hinweis auf dieses tšdliche Schicksal der antiken Religion und auf die Paradoxie, die in jener Auseinandertrennung von Wahrheit und Fršmmigkeit liegt. Paulus greift das dort ausfŸhrlich Gesagte in wenigen Versen auf, in denen er das Geschick der antiken Religion aus diesem Zusammenhang der Trennung von Logos und Mythos schildert: 

ãEs ist ja, was an Gott erkennbar ist, unter ihnen offenbar; denn Gott hat es ihnen offenbar gemacht ... Aber, obwohl sie Gott erkannten, haben sie ihm nicht als Gott Ehre und Dank erwiesen ... Sie vertauschten die Herrlichkeit des unvergŠnglichen Gottes mit der Nachbildung eines vergŠnglichen Menschen ...Ò (Ršm 1, 19-23).

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Damit war ihr Untergang unvermeidlich; er folgte aus der Abtrennung von der Wahrheit, die dazu fŸhrte, dass sie als blo§e ãinstitutio vitaeÒ, das hei§t als blo§e Lebenseinrichtung und Form der Lebensgestaltung, angesehen wurde. Dieser Situation gegenŸber hat Tertullian in einem gro§artig kŸhnen Wort mit Nachdruck die christliche Position beschrieben, wenn er sagt: 


ãChristus hat sich die Wahrheit genannt, nicht die GewohnheitÒ. 


Ich glaube, dass dies einer der wirklich gro§en SŠtze der VŠter-Theologie ist. ... 


Das Christentum hat sich damit entschlossen auf die Seite der Wahrheit gestellt und sich so von einer Vorstellung von Religion abgewandt, die sich damit begnŸgt, zeremonielle Gestalt zu sein, der man schlie§lich auf dem Weg der Interpretation auch irgendeinen Sinn beilegen kann.

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Noch ein Hinweis mag das Gesagte verdeutlichen. Die Antike hatte sich schlie§lich das Dilemma ihrer Religion, ihrer Abgeschiedenheit von der Wahrheit des philosophisch Erkannten, zurechtgelegt in der Idee dreier Theologien, die es gebe: 

  1. physische, 
  2. politische und 
  3. mythische Theologie. 


Sie hatte das Auseinandertreten von Mythos und Logos gerechtfertigt mit der RŸcksicht auf das Empfinden des Volkes und mit der RŸcksicht auf den Nutzen des Staates, insofern mythische Theologie zugleich politische Theologie ermšgliche. 


Anders ausgedrŸckt: 

Sie hatte in der Tat Wahrheit gegen Gewohnheit, NŸtzlichkeit gegen Wahrheit gestellt. Die Vertreter der neuplatonischen Philosophie gingen einen Schritt weiter, indem sie den Mythos ontologisch interpretierten, ihn als Symbol-Theologie auslegten und ihn damit auf dem Weg der Auslegung zur Wahrheit hin zu vermitteln versuchten. 


Aber was nur noch durch Interpretation bestehen kann, hat in Wirklichkeit aufgehšrt zu bestehen. Der menschliche Geist wendet sich mit Recht der Wahrheit selbst zu und nicht dem, was mit der Methode der Interpretation auf Umwegen als mit der Wahrheit noch vereinbar erklŠrt werden kann, selbst jedoch keine Wahrheit mehr hat

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Seite 102

Beide VorgŠnge haben etwas bedrŠngend GegenwŠrtiges an sich. In einer Situation, in der die Wahrheit des Christlichen zu entschwinden scheint, zeichnen sich im Kampf um das Christentum heute gerade die beiden Methoden wieder ab, mit denen einst der antike Polytheismus seinen Todeskampf bestritten und nicht bestanden hat. 

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Die ursprŸnglich christliche Option ist demgegenŸber eine durchaus andere. Der christliche Glaube hat - wir sahen es - 

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das hei§t 

optiert. 

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Von diesem Vorgang her rŸhrte der Vorwurf gegen die frŸhe Kirche, dass ihre AnhŠnger Atheisten seien. Er ergab sich daraus, dass in der Tat die frŸhe Kirche die ganze Welt der antiken religio ablehnte, dass sie nichts davon als annehmbar erklŠrte, sondern dies Ganze als leere Gewohnheit, die gegen die Wahrheit steht, beiseite schob.

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Seite 103

Freilich darf auch die andere Seite des Vorgangs nichtÊŸbersehen werden. 

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Seite 106

Uns scheint es im Letzten immer wieder selbstverstŠndlich, dass das unendlich Gro§e, der absolute Geist, nicht FŸhlen und Leidenschaft, sondern nur reine Mathematik des Alls sein kšnne. 


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Die hšchste Weise des Seins schlie§t É das Element der Beziehung ein. Man braucht wohl nicht eigens zu sagen, welche Revolution es fŸr die Existenzrichtung des Menschen bedeuten muss, wenn als das Hšchste nicht mehr die absolute, in sich geschlossene Autarkie erscheint, sondern wenn das Hšchste zugleich Bezogenheit ist, schšpferische Macht, die anderes schafft und trŠgt und liebt. . .

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Der Logos aller Welt, der schšpferische Urgedanke, ist zugleich Liebe, ja, dieser Gedanke ist schšpferisch, weil er als Gedanke Liebe und als Liebe Gedanke ist. Es zeigt sich eine UridentitŠt von Wahrheit und Liebe, die da, wo sie voll verwirklicht sind, nicht zwei nebeneinander oder gar gegeneinander stehende Wirklichkeiten, sondern eins sind, das einzig Absolute. An dieser Stelle wird zugleich der Ansatzpunkt des Bekenntnisses zum drei-einigen Gott sichtbar, auf den spŠter zurŸckzukommen sein wird.


4. Kapitel

Bekenntnis zu Gott heute

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Seite 112

All unser Denken ist inÊ derÊ Tat nurÊ ein Nachdenken des in der Wirklichkeit schon Vorgedachten. Es kann nur auf eine armselige Art versuchen, jenes Gedachtsein, das die Dinge sind, nachzuvollziehen und darin Wahrheit zu finden. Das mathematische WeltverstŠndnis hat hier gleichsam durch die Mathematik des Weltalls hindurch den ÈGott der PhilosophenÇ gefunden mit all seiner Problematik Ÿbrigens, wie sich zeigt, wenn Einstein den Persšnlichen Gottesbegriff immer wieder als ÈanthropomorphÇ zurŸckweist, ihn der ÈFurchtreligionÇ und der Èmoralischen ReligionÇ zuordnet, denen er als das allein Angemessene die Èkosmische ReligiositŠtÇ gegenŸberstellt, die fŸr ihn Èim verzŸckten Staunen Ÿber die Harmonie der NaturgesetzlichkeitÇ, in einem Ètiefen Glauben an die Vernunft des WeltenbauesÇ und in der ÈSehnsucht nach dem Begreifen, wenn auch nur eines geringen Abglanzes der in dieser Welt geoffenbarten VernunftÇ sich auswirkt.

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Seite 113

James Jeans sagt einmal: 

ÈWir entdecken, dass das Weltall Spuren einer planenden und kontrollierenden Macht zeigt, die etwas Gemeinsames mit unserem eigenen, individuellen Geist hat, nicht, soweit wir bis jetzt entdeckt haben, GefŸhl, Moral oder Šsthetisches Vermšgen, sondern die Tendenz, auf eine Art zu denken, die wir in Ermangelung eines besseren Wortes Geometrie genannt habenÇ. 

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Wieder finden wir dasselbe: Der Mathematiker entdeckt die Mathematik des Kosmos, das Gedachtsein der Dinge. Aber nicht mehr. Er entdeckt nur den Gott der Philosophen. 

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Wenn Jeans meint, derlei sei bis jetzt nicht entdeckt worden an jenem Geist, so kann man ihm getrost sagen: Es wird auch von der Physik niemals entdeckt werden und kann es nicht, weil sie bei ihrer Fragestellung wesensmŠ§ig vom Šsthetischen GefŸhl und von der moralischen AttitŸde abstrahiert, die Natur in rein mathematischer Gesinnung befragt und folglich auch nur die mathematische Seite der Natur zu Gesicht bekommen kann. 

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Die Antwort hŠngt nun einmal von der Frage ab. 

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Der Mensch aber, der eine Anschauung des Ganzen sucht, wird viel eher sagen mŸssen:

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Seite 116

Sein ist Gedachtsein. 

Das Sein ist Gedachtsein - aber doch nicht so, dass es nur Gedanke bliebe und dass der Schein der SelbstŠndigkeit sich dem nŠher Zusehenden als blo§er Schein erwiese. 

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Darin Ÿberschreitet er jeden blo§en Idealismus. 

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Damit klŠrt sich zugleich der Kern des Schšpfungsbegriffs:Ê Das Modell, von dem aus Schšpfung verstanden werden muss, istÊ 

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Zugleich wird sichtbar, dass die Freiheitsidee das Kennzeichen des christlichen Gottesglaubens gegenŸber jeder ArtÊ von Monismus ist. 

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[Das erweitert die Stoa, so wie ich sie interpretiert habe, Ÿber die kosmische, naturwissenschaftliche Ebene hinaus hin zu Urbildern, Archteypen. Die zeigen sich zuweilen den Begabten unter uns nach Pauli, Jung und Kepler in der Meditation. Der Raum, den die Meditation zur VerfŸgung stellt, erschlie§t sich der schšpferischen Freiheit, erscheint also unendlich.]

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FŸr ihn bedeutet nicht ein allumfassendes Bewusstsein oder eine einzige MaterialitŠt die ErklŠrung des Wirklichen insgesamt; an der Spitze steht vielmehr eine Freiheit, die denkt und denkend Freiheiten schafft und so die Freiheit zur STRUKTURFORM allen Seins werden lŠsst.

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Seite 117

Wenn demgemŠ§ die christliche Option fŸr den Logos OPTION fŸr einen personhaften, schšpferischen Sinn bedeutet, dann ist sie darin zugleich Option fŸr den Primat des Besonderen gegenŸber dem Allgemeinen. 

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Seite 118

Denn wenn der oberste Konstruktionspunkt der Welt eine Freiheit ist, welche die ganze Welt als Freiheit trŠgt, will, kennt und liebt, dann bedeutet dies, dass mit der Freiheit die Unberechenbarkeit, die ihr innewohnt, wesentlich zur Welt gehšrt. 

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5. Kapitel

Glaube an den dreieinigen Gott

Seite 123, 124

Hier geht es doch darum, ob

1.ÊÊÊÊÊ der Mensch in seiner Gottesbeziehung nur mit den Spiegelungen seines eigenen Bewusstseins zu tun hat oder 

2.ÊÊÊÊÊ ihm gegeben ist, wirklich Ÿber sich hinauszugreifen und mit Gott selbst zusammenzutreffen. 

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Die Folgen sind in beiden FŠllen weitreichend: 

(1)ÊÊÊÊÊÊÊÊÊÊÊ Wenn das Erstere zutrifft, ist auch das Gebet nur eine BeschŠftigung des Menschen mit sich selbst, die Wurzel fŸr eigentliche Anbetung ist ebenso abgeschnitten wie fŸr das Bittgebet Р

(2)ÊÊÊÊÊÊÊÊÊÊÊ Wenn die andere Antwort die richtige ist, sind Anbetung und Bitte nicht nur mšglich, sondern geboten, das hei§t ein Postulat des auf Gott hin offenen Wesens Mensch. 

[Hier muss der Mensch versuchen, zu den Urbildern Verbindung herzustellen, also eine extrem anspruchsvolle Meditation aufzubauen. Das ist schwieriger, verlangt wesentlich mehr geistige Kraft als rationales, wissenschaftliches Nachdenken, das allein schon langes, intensives Studium voraussetzt.]

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Seite 126

... Obwohl es zutrifft, dass wir Gott nur in der Spiegelung des menschlichen Denkens erkennen, hat der christliche Glaube daran festgehalten, dass wir in dieser Spiegelung doch eben ihn erkennen. Wenn wir schon nicht aus der Enge unseres Bewusstseins auszubrechen vermšgen, so kann doch Gott in dies Bewusstsein einbrechen und in ihm sich selber zeigen.

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... Die Ausweitung der Grenzen des menschlichen Denkens, die notwendig war, um die christliche Gotteserfahrung geistig zu verarbeiten, stellte sich nicht von selber ein. Sie verlangte einen Kampf, fŸr den auch der Irrtum fruchtbar war; damit folgte sie dem Grundgesetz, dem der menschliche Geist in seinem Voranschreiten allenthalben unterliegt. 

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Subordinatianismus sagt: Gott selbst ist nur ein einziger; Christus ist nicht Gott, sondern nur ein Gott besonders nahes Wesen. ... die Folge ist - wie wir vorhin ausgiebig bedachten -, dass der Mensch von Gott selbst abgeschnitten und ins VorlŠufige versperrt wird. Gott wird gleichsam zum konstitutionellen Monarchen; der Glaube hat nicht mit ihm, sondern nur mit seinen Ministern zu tun. Wer das nicht will, wer wirklich an die Herrschaft Gottes, an das ÈGrš§teÇ im Kleinsten glaubt, wird daran festhalten mŸssen, dass Gott Mensch ist, dass das Sein Gottes und des Menschen ineinander treten,

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... Monarchianismus nimmt den begegnenden Gott ernst, der als Schšpfer und Vater zuerst, als Sohn und Erlšser in Christus dann und endlich als Heiliger Geist auf uns zukommt. Doch werden diese drei Gestalten nur als Masken Gottes betrachtet, die etwas Ÿber uns, aber nichts Ÿber Gott selbst aussagen. So verlockend ein solcher Weg scheint, so fŸhrt er am Ende doch wieder dazu, dass der Mensch nur in sich kreist und nicht bis zum Eigenen Gottes vordringt.

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Seite 128

Recht kšnnen wir von Gott nur reden, wenn wir aufs Begreifenwollen verzichten und ihn als den Unbegriffenen stehenÊ lassen. TrinitŠtslehre kann also nicht ein Begriffenhaben Gottes sein wollen. 

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Seiten 131, 132, 133

Das Gesetz der KomplementaritŠt gehšrt zum naturwissenschaftlichen Denken:

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Wir wissen heute, dass im physikalischen Experiment der Beobachter selbst in das Experiment eingeht und nur so zu physikalischer Erfahrung kommen kann. [Das Experiment versucht mit einer Schablone, die RealitŠt zu erfassen. Was nicht in die Schablone passt, wird nicht erkannt -Pattern-Matching. Die Schablone wird vom Beobachter, dem Experimentator, gemacht, beruht auf dessen Vorbildung, Modellvorstellung] Das bedeutet, dass es die reine ObjektivitŠt selbst in der Physik nicht gibt, dass auch hier der Ausgang des Experiments, die Antwort der Natur, abhŠngt ist von der Frage, die an sie gerichtet wird. In der Antwort ist immer ein StŸck der Frage und des Fragenden selbst anwesend, sie spiegelt nicht nur die Natur in ihrem In-sich-Sein, in ihrer reinen ObjektivitŠt, sondern gibt auch etwas vom Menschen, von unserem Eigenen wieder, ein StŸck menschlichen Subjektes. 

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[D]ies gilt entsprechend abgewandelt von der Gottesfrage ... Den blo§en Beschauer gibt es nicht. Die reine ObjektivitŠt gibt es nicht. Man wird sogar sagen kšnnen: Je hšher ein Gegenstand menschlich steht, je mehr er ins Zentrum des Eigenen hineintrifft und das Eigene des Beschauers mitengagiert, desto weniger ist die blo§e Distanziertheit der reinen ObjektivitŠt mšglich. 

áÊÊÊÊÊÊÊÊ Wo immer sich also eine Antwort als leidenschaftslos objektiv gibt, als die Aussage, die endlich Ÿber die Voreingenommenheiten der Frommen hinausgeht und blo§ sachlich wissenschaftlich aufklŠrt, muss man sagen, dass hier der Redende einem Selbstbetrug verfallen ist. 

áÊÊÊÊÊÊÊÊ Diese Art von ObjektivitŠt ist nun einmal dem Menschen versagt. Er kann gar nicht als blo§er Beschauer fragen und existieren. Wer versucht, blo§er Beschauer zu sein, erfŠhrt nichts. 

áÊÊÊÊÊÊÊÊ Auch die Wirklichkeit ÈGottÇ kannÊ nur in den Blick kommen fŸr den, der in das Experiment mit GottÊ eintritt - in das Experiment, das wir Glaube nennen. Nur indem man eintritt, erfŠhrt man; nur indem man das Experiment mitmacht, fragt man Ÿberhaupt, und nur wer fragt, erhŠlt Antwort. 

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ÊIII. Jesus Christus

Wahrer Gott und Wahrer Mensch

3. Das Recht des christologischen Dogmas

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Seiten 175 - 182

Der Kšnig ist Sohn, nicht weil er von Gott gezeugt, sondern weil er von Gott erwŠhlt ist. Nicht ein physischer Vorgang ist angesprochen, sondern die Macht des gšttlichen Wollens, das neues Sein schafft. In dem so verstandenen Sohnschaftsgedanken konzentriert sich nun zugleich die Theologie des ErwŠhlungsvolkes Ÿberhaupt. ... in ihm fasst sich die Berufung Israels zusammenf: dass er stellvertretend fŸr Israel steht und das Geheimnis der Verhei§ung, der Berufung, der Liebe in sich vereint, das Ÿber Israel liegt.

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Die Kšnigstheologie, die in einer ersten Stufe aus einer Zeugungs- zu einer ErwŠhlungstheologie umgewandelt worden war, wurde in einem weiteren Schritt aus einer ErwŠhlungstheologie zu einer Theologie der Hoffnung auf den kommenden Kšnig; das Thronorakel wurde immer mehr zu einem Spruch der Verhei§ung,

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An diesem Punkt setzt die Neuverwendung des Textes durch die christliche Urgemeinde an. Wahrscheinlich im Rahmen des Auferstehungsglaubens ist dieses Psalmwort zuerst auf Jesus angewendet worden. Das Geschehen der Auferweckung Jesu von den Toten, an das diese Gemeinde glaubt, wird von den ersten Christen als jener Augenblick begriffen, in dem der Vorgang von Psalm 2 tatsŠchlich Wirklichkeit geworden ist.

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im Gekreuzigten wird fŸr die Glaubenden sichtbar, was der Sinn jenes Orakels, was der Sinn von ErwŠhlung ist: nicht Privileg und Macht fŸr sich, sondern Dienst fŸr die andern. In ihm wird sichtbar, was der Sinn der ErwŠhlungsgeschichte, was der wahre Sinn von Kšnigtum ist, das immer schon Stellvertretung, aReprŠsentation ́ sein wollte. Dass aReprŠsentieren ́bedeutet: fŸr die anderen, sie vertretend, stehen - das gewinnt nun einen verwandelten Sinn. Ihm, dem všllig Gescheiterten, der am Galgen hŠngend kein StŸck Boden mehr unter den FŸ§en hat, um dessen GewŠnder gelost wird und der selbst von Gott preisgegeben scheint, ihm, gerade ihm gilt das Orakel: aMein Sohn bist du, heute - an dieser Stelle - habe ich dich gezeugt. Fordere von mir und ich gebe dir Všlker zum Erbe und die Welt zum Besitztum ́.

Die Sohn-Gottes-Idee, die auf diese Weise und in dieser Form, in der Auslegung von Auferstehung und Kreuz durch Psalm 2, in das Bekenntnis zu Jesus von Nazareth eingegangen ist, hat wahrhaftig nichts mit der hellenistischen Idee des gšttlichen Menschen zu tun und ist von ihr her auf keine Weise zu erklŠren. Sie ist vielmehr die zweite Entmythologisierungsstufe der alttestamentlich schon vorentmythologisierten orientalischen Kšnigsidee. Sie bezeichnet Jesus als den wahren Erben des Alls, als den Erben der Verhei§ung, in dem sich der Sinn der Davidstheologie erfŸllt.

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Was wir bei unseren Überlegungen Ÿber den dreieinigen Gott bereits fanden, ergibt sich von einem anderen Ausgangspunkt her wieder: Derjenige, der gar nicht an sich festhŠlt, sondern reine Beziehung ist, fŠllt darin mit dem Absoluten zusammen und wird so zum Herrn. Der Herr, vor dem das All sich beugt, [ist eine] Provokation gegen die Selbstvergottung der politischen Macht.

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Wir blicken hinein in die Gebetserfahrung Jesu, in jene NŠhe zu Gott, die seine Gottesbeziehung von der aller anderen Menschen unterscheidet, die aber dennoch keine ExklusivitŠt will, sondern darauf ausgerichtet ist, die anderen mit aufzunehmen in das eigene GottesverhŠltnis. Sie will sie gleichsam in die eigene Weise des Stehens zu Gott hineinnehmen, sodass sie mit Jesus und in ihm ebenso wie er aAbba ́ zu Gott sagen kšnnen: Keine Grenze der Ferne soll sie mehr scheiden, sondern jene IntimitŠt soll sie mit umgreifen, die in Jesus Wirklichkeit ist.

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Seite 184

Und gerade darin, dass dieses Sein als Ganzes nichts als Dienst ist, ist es Sohnsein. Insofern ist die christliche Umwertung der Werte hier erst am Ziel angelangt, hier erst wird vollends deutlich, dass der, der sich ganz in den Dienst fŸr die anderen, in die volle Selbstlosigkeit und Selbstentleerung hineingibt, sie fšrmlich wird- dass eben dieser der wahre Mensch, der Mensch der Zukunft, der Ineinanderfall von Mensch und Gott ist.

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Seite 185

Auch hier kommt die Begegnung mit Gott nur im jeweiligen Ereignisblitz zustande, das Sein bleibt davon ausgespart. In solcher Theologie scheint mir eine Art von Verzwei§ung gegenŸber dem Seienden vorzuliegen, die nicht hoffen lŠsst, dass das Sein selbst je Akt werden kšnnte. 

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IV. Wege der Christologie

1. Inkarnationstheologie und Kreuzestheologie


Seite 186

[Da ist] ein Mensch Gott ... und ... damit [ist] zugleich Gott Mensch ist; dies Ungeheuerliche wird ihr das alles Entscheidende. Vor diesem Geschehnis des Einsseins von Mensch und Gott, der Mensch-werdung Gottes, verblassen alle Einzelgeschehnisse, die noch folgten. Sie kšnnen demgegenŸber nur noch sekundŠr sein; das Ineinandertreffen von Gott und Mensch erscheint als das wahrhaft Entscheidende, Erlšsende, als die wirkliche Zukunft des Menschen, auf die schlie§lich alle Linien zugehen mŸssen.

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Seite 187

Inkarnationstheologie tendiert zu einer statischen und zu einer optimistischen Sicht. Die SŸnde des Menschen erscheint leicht als ein Durchgangsstadium von ziemlich untergeordneter Bedeutung. Das Entscheidende ist dann nicht, dass der Mensch in der SŸnde ist und geheilt werden muss, es geht weit Ÿber eine solche Reparation des Vergangenen hinaus und liegt im Zugehen auf den Ineinanderfall von Mensch und Gott.

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Dies Sein ist Exodus, Verwandlung. So aber muss an dieser Stelle eine sich recht verstehende Seins- und Inkarnationschristologie Ÿbergehen in die Kreuzestheologie, mit ihr eins werden; umgekehrt muss eine ihr ganzes Ma§ ausmessende Kreuzestheologie zur Sohneschristologie und zur Seinschristologie werden.

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3. HauptteilÊ

Der Geist und die Kirche

Zwei Hauptfragen des Artikels vom Geist und von der Kirche


Seite 312

Aber hat dann die Auferstehung Ÿberhaupt keine Beziehung zur Materie? Und wird der "JŸngste Tag" damit všllig gegenstandslos zugunsten des Lebens, das aus dem Ruf Gottes immer kommt? 


Auf diese letzte Frage haben wir im Grunde mit unseren †berlegungen zur Wiederkunft Christi die Antwort schon gegeben. 

dann gibt es nicht ein ewiges neutrales Nebeneinander von Materie und Geist, sondern eine letzte "KomplexitŠt", in der die Welt ihr Omega und ihre Einheit findet. 


Dann gibt es einen letzten Zusammenhang zwischen Materie und Geist, in dem sich das Geschick des Menschen und der Welt vollendet, auch wenn wir heute unmšglich die Art dieses Zusammenhanges definieren kšnnen. 


Dann gibt es einen "JŸngsten Tag", in dem das Geschick der Einzelmenschen voll wird, weil das Geschick der Menschheit erfŸllt ist. 


Das Ziel des Christen ist nicht eine private Seligkeit, sondern das Ganze. 


Aber soll er darum die HŠnde in den Scho§ legen? 


Version: 25.6.2023

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Joachim Gruber