AuszŸge aus


Joseph Ratzinger

EinfŸhrung in das Christentum

Vorlesung im Sommersemester 1967

UniversitŠt TŸbingen



IV. WEGE DER CHRISTOLOGIE

Die Entfaltung des Christusbekenntnisses in den Glaubensartikeln


Auferstanden von den Toten


Text


Hier steht Joseph Ratzingers Text.

Die Seitenzahl verweist auf den Ort des Textes in seiner Vorlesung.
Die Nummern 1a - 11 verweisen auf die Einzelteile des Videos. 


Mein Kommentar


Hier habe ich notiert, in welchem Sinn ich Joseph Ratzinger verstanden habe.
Ratzinger-Zitate sind in SchrŠgschrift eingefŸgt.
Die Seitenzahl verweist auf den Ort des Textes in seiner Vorlesung.




Video:

Jessye Norman - A Portrait - When I Am Laid In Earth (Henry Purcell)

Der Gott der Philosophen und der Wissenschaftler: 

  • Er zeigt sich im 'Logos' (im Sinn) der Welt, welche die Welt hŠlt und von der die Welt gehalten ist. Beispiele fŸr den Logos: die innere Struktur, die RationalitŠt, die kosmische Notwendigkeit der Natur, sichtbar in der Mathematik.


Der Gott des christlichen Glaubens (der Sohn Gottes, Jesus als Christus):

  • Er zeigt sich in einem analogen 'Logos' (in einem analogen Sinn) der Menschen: (Seite 165) "Wenn wir irgendwo eine solche Person antreffen, dann ist sie jener Sinn, der uns alle hŠlt und von dem wir alle gehalten sind". Sichtbar wird dieser analoge Logos in der Liebe. ... (Seite 123) "der Mensch, der mit Christus zu tun bekommt, trifft in seinem Mitmenschen Jesus, der ihm als Mitmensch erreichbar ist, auf Gott selbst."


(Seite 124)

Gleichsetzung von Gott der Philosophen und Gott des Glaubens:

Nur der Gott, der

  • einerseits der wirkliche Grund der Welt ist und
  • andererseits ganz der uns Nahe ist

kann Ziel einer der Wahrheit verpflichtenden Fršmmigkeit sein.


... Wenn dem Menschen gegeben ist, wirklich Ÿber sich hinauszugreifen und mit Gott selbst zusammenzutreffen, sind Anbetung und Bitte nicht nur mšglich, sondern geboten, das hei§t ein Postulat des auf Gott hin offenen Wesens Mensch.


(Seite 118)

Nach christlichem VerstŠndnis ist das oberste Konstruktionsprinzip der Welt eine Freiheit, welche die ganze Welt als Freiheit trŠgt, will, kennt und liebt. Mit ihr gehšrt die Unberechenbarkeit, die der Freiheit innewohnt, wesentlich zur Welt:

  • Unberechenbarkeit ist ein Implikat der Freiheit.
  • Welt kann nie vollends auf mathematische Logik zurŸckgefŸhrt werden.
  • Mit dem KŸhnen und Gro§en einer Welt, die von der Struktur der Freiheit gezeichnet ist, ist so aber auch das dunkle Geheimnis des DŠmonischen gegeben.


(Seite 119)

Eine Welt, die unter dem Risiko der Freiheit und der Liebe geschaffen und gewollt ist, ist .... nicht blo§ Mathematik. Sie ist als Raum der Liebe Spielraum der Freiheit und geht das Risiko des Bšsen mit ein. Sie wagt das Geheimnis des Dunkels um des grš§eren Lichtes willen, das Freiheit und Liebe sind.


Seiten 257 - 262

1a

Nur einer kann wahrhaft Halt geben: der Gott der Lebendigen, 

derjenige, der "ist", 

der nicht wird und vergeht, 

sondern mitten im Werden und im VorŸbergang bleibt: 

der nicht nur den Schatten und das Echo meines Seins hŠlt, 

dessen Gedanken nicht blo§e Nachbilder des Wirklichen sind. 

1b

Ich dagegen, ich selbst bin sein Gedanke, 

  • der Gedanke dessen, der gleichsam ursprŸnglicher mich selber setzt, als ich in mir bin; 
  • sein Gedanke (Gottes Gedanke) ist nicht der nachtrŠgliche Schatten, sondern die Ursprungskraft meines Seins. 
  • In ihm (in Gott) kann ich nicht nur als Schatten stehen, sondern in ihm bin ich in Wahrheit nŠher bei mir, als wenn ich blo§ bei mir zu sein versuche.

2

Sehen wir das Gleiche von einer etwas anderen Seite, bei den Worten Liebe und Tod anknŸpfend: 

  • Nur wo fŸr jemanden der Wert der Liebe Ÿber dem Wert des Lebens steht, das hei§t, 
  • nur wo jemand bereit ist - ja sich tief in einem Inneren danach sehnt, darin ErfŸllung sieht -, das Leben zurŸckzustellen hinter der Liebe und um der Liebe willen, 
  • nur da kann sie auch stŠrker und mehr sein als der Tod.


Seite 258

3

Wenn die Kraft der Liebe zum andern irgendwo so stark wŠre, dass sie nicht nur des Menschen GedŠchtnis, den Schatten seines Ich, sondern ihn selbst lebendig zu halten vermšchte, dann wŠre eine neue Stufe des Lebens erreicht, die den Raum der biologischen Evolutionen hinter sich lie§e und den Sprung auf eine ganz andere Ebene bedeuten wŸrde, in der Liebe nicht mehr an das biologische Leben geknŸpft wŠre, sondern sich dessen bediente.


4

Eine solche letzte Evolutionsstufe wŠre dann selbst keine biologische Stufe mehr, sondern wŸrde den Ausbruch aus der Alleinherrschaft des Biologischen bedeuten, die zugleich Todesherrschaft ist; sie wŸrde jenen Raum eršffnen, den die griechische Bibel "zoe" nennt, das hei§t endgŸltiges Leben, welches das Regiment des Todes hinter sich gelassen hat.


Die letzte Stufe der Evolution, deren die Welt bedarf, um an ihr Ziel zu kommen, wŸrde dann nicht mehr innerhalb des Biologischen geleistet, sondern vom Geist, von der Freiheit, von der Liebe. Sie wŠre nicht mehr Evolution, sondern Entscheidung und Geschenk in einem.


Seite 259

5

  1. Die Unsterblichkeit des Menschen, sein Weiterleben kann dadurch zustande kommen, dass er in einem anderen fortlebt. 
  2. Nur die Liebe, die den geliebten anderen in sich selbst, ins Eigene aufnimmt, kann dieses Sein im andern ermšglichen. 

Diese beiden sich ergŠnzenden Aspekte spiegeln sich, wie mir scheint, wider in den zwei neutestamentlichen Aussageformen fŸr die Auferstehung des Herrn:

  1. "Jesus ist auferstanden" 
  2. "Gott (der Vater) hat Jesus auferweckt". 


Beide Formeln treffen sich in der Tatsache, dass die totale Liebe Jesu zu den Menschen, die ihn ans Kreuz fŸhrt, sich in der totalen †berschreitung auf den Vater hin vollendet und darin stŠrker wird als der Tod, weil sie darin zugleich totales Gehaltensein von ihm ist. 

  1. Liebe grŸndet Unsterblichkeit, und 
  2. Unsterblichkeit kommt allein aus Liebe.


Diese Aussage, die wir nun erarbeitet haben, bedeutet dann ja auch, dass der, der fŸr alle geliebt hat, fŸr alle Unsterblichkeit gegrŸndet hat. Das genau ist der Sinn der biblischen Metapher, dass Jesu Auferstehung unser Leben ist. 

Seite 260

6

Trotzdem bleibt dabei bestehen, dass die Weise unserer Unsterblichkeit von unserer Weise zu lieben abhŠngen wird. 

Seite 261

7

Christus ist bei der Auferstehung nicht wieder in sein voriges irdisches Leben zurŸckgekehrt ist, wie solches etwa vom JŸngling zu Naim und von Lazarus gesagt wird. Er ist auferstanden ins endgŸltige Leben hinein, das nicht mehr den chemischen und biologischen Gesetzen eingefŸgt ist und deswegen au§erhalb der Todesmšglichkeit steht, in jener Ewigkeit, welche die Liebe gibt. 


Darum sind die Begegnungen mit ihm "Erscheinungen"; darum wird der, mit dem man noch zwei Tage zuvor zu Tische gesessen war, von seinen besten Freunden nicht wiedererkannt und bleibt auch als Erkannter fremd: Nur wo er das Sehen gibt, wird er gesehen; nur wo er die Augen auftut und das Herz sich auftun lŠsst, kann mitten in unserer Todeswelt das Angesicht der todesŸberwindenden ewigen Liebe erkennbar werden und in ihr die neue, die andere Welt: die Welt des Kommenden. 


Seite 262

8

Sein geheimnisvolles Auftauchen, sein nicht minder geheimnisvolles Entschwinden, die Tatsache, dass er auch hier dem gewšhnlichen Auge unerkennbar bleibt (man kann ihn nicht feststellen wie zur Zeit seines irdischen Lebens) zeigen: er wird allein im Bereich des Glaubens entdeckt; durch die Schriftauslegung macht er den beiden Wanderern das Herz brennend, und durch das Brotbrechen šffnet er ihnen die Augen. 


Die Begegnung mit dem Auferstandenen liegt auf einer ganz neuen Ebene. 


Er gibt damit ebenso eine Theologie der Auferstehung wie eine Theologie der Liturgie: Dem Auferstandenen begegnet man im Wort und im Sakrament; der Gottesdienst ist die Weise, wie er uns berŸhrbar, als der Lebendige erkenntlich wird. 


Und umgekehrt: Liturgie grŸndet im Ostergeheimnis; sie ist zu verstehen als das Zutreten des Herrn auf uns, der darin zu unserem WeggefŠhrten wird, uns das stumpfe Herz brennend macht und die gehaltenen Augen šffnet. Er geht noch immer mit uns, er trifft uns noch immer grŸbelnd und mutlos, er hat noch immer die Kraft, uns sehend zu machen.


9

Mit alledem ist freilich erst die HŠlfte gesagt; das neutestamentliche Zeugnis wŠre verfŠlscht, wollte man dabei allein stehen bleiben. Die Erfahrung des Auferstandenen ist etwas anderes als das Zusammentreffen mit einem Menschen dieser unserer Geschichte, aber sie darf erst recht nicht zurŸckgefŸhrt werden auf TischgesprŠche und auf Erinnerungen, die sich schliefllich zu dem Gedanken verdichtet hŠtten, dass er lebe und seine Sache weitergehe. Mit einer solchen Auslegung wird das Geschehen nach der anderen Seite hin ins blo§ Menschliche eingeebnet und seines Eigentlichen beraubt. 


10

Die Auferstehungsberichte sind etwas anderes und mehr als verkleidete liturgische Szenen: Sie machen das GrŸndungsgeschehen sichtbar, auf dem alle christliche Liturgie beruht. Sie bezeugen ein Zukommnis, das nicht aus dem Herzen der JŸnger aufstieg, sondern von au§en an sie herantrat und gegen ihren Zweifel sie ŸbermŠchtigte und sie gewiss werden liefl: Der Herr ist wahrhaft auferstanden. Der im Grabe lag, ist nicht mehr dort, sondern er - wirklich er selber - lebt. Er, der in die andere Welt Gottes hineinverwandelt war, zeigte sich doch mŠchtig genug, um bis zur Handgreiflichkeit hin klarzumachen, dass er selbst ihnen wieder gegenŸberstand, dass in ihm die Macht der Liebe wirklich sich stŠrker erwiesen hatte als die Macht des Todes.


11

Man kann nicht den christlichen Glauben und die Religion innerhalb der Grenzen der blo§en Vernunft haben. Dem, der glaubt, wird freilich immer mehr sichtbar werden, wie voller Vernunft das Bekenntnis zu jener Liebe ist, die den Tod Ÿberwunden hat.



Abspielen eines Videos


Die Musik im Video:
Giuseppe Verdi, Requiem, Leonard Bernstein,
Martina Arroyo, Josephine Veasey, Placido Domingo, Ruggiero Raimondi,
London Symphony Orchestra and Chorus, St. Paul's Cathedral, 1970


Der Text im Video
ist der Text in der Spalte nebenan


So wie ich Joseph Ratzinger (der spŠter Papst Benedikt XVI. wurde) verstehe, meint er mit "Gott" 

  1. den Gott der Philosophen, der sich in der Schšpfung als "Ursprungskraft" zeigt, zum Beispiel 
    • in der Natur mit all ihren Wundern,
    • in den Naturgesetzen, 
    • in der Mathematik, 
  2. den persšnlichen Gott, der sich in den Menschen zeigt als 
    • die unermessliche Freiheit,
    • die schšpferische Liebe,
    • die Persšnlichkeit.


Die Natur zeigt uns also Bilder, die der Gott der Philosophen geschaffen hat. Ratzinger nennt sie 

  • die Gedanken dieses Gottes,
  • Nachbilder,
  • Schatten,
  • Echo.


Mit Liebe meint Joseph Ratzinger die Kraft, die es uns mšglich macht, die unermessliche Freiheit in der Natur und in den Menschen zu erahnen. Diese Ahnung ist 

  • vage, 
  • Intuition, 
  • Traum, 

und sobald wir Worte fŸr eine solche Ahnung gefunden haben, ist unsere Verbindung in den Raum der Freiheit schon wieder unterbrochen.


Liebe ist in diesem Sinn auch Anziehungskraft, AffinitŠt, wie sie zwischen Atomen und MolekŸlen besteht 


Ratzinger sagt: Diese Liebe gibt uns Unsterblichkeit, weil sie uns eine Ahnung von Gott gibt. Dagegen verblassen alle unsere Regungen im biologischen Leben, z.B. unsere €ngste, Leiden, sogar unser Tod. 


In diesem Sinn hat Sophie Scholl geliebt und war ohne Furcht vor dem Tod. Sie hat die goldene BrŸcke (im Cache) in Freiheit und Weiterleben nicht beschritten, die ihr der verhšrende KriminalobersekretŠr Robert Mohr gebaut hatte.



Batter my heart, three personed God", John Donne, 1633

Batter my heart, three-personed God, for you
As yet but knock, breathe, shine, and seek to mend;
That I may rise, and stand, oÕerthrow me, and bend
Your force to break, blow, burn, and make me new.


I, like an usurped town, to another due,
Labour to admit you, but Oh, to no end.
Reason, your viceroy in me, me should defend,
But is captived, and proves weak or untrue.


Yet dearly I love you, and would be loved fain,
But am betrothed unto your enemy:
Divorce me, untie or break that knot again,


Take me to you, imprison me, for I,
Except you enthrall me, never shall be free,
Nor ever chaste, except you ravish me.


Brich ein in mein Herz, dreieiniger Gott, bis eben
warst du nur Pochen, Atem, Licht, ein Wiegen,
soll ich erstehn, mu§t du mich brechen, biegen,
mit Sturm und Flamme, gib mir neues Leben.


Ich bin die Stadt, der fremden Macht ergeben,
ach kšnnten meine Riegel seitwŠrts fliegen,
Vernunft, dein Lehnsherr, statt fŸr mich zu kriegen,
in Fesseln selbst, will treulos sich erheben.


Ich liebe dich und bau auf Gegenliebe,
doch bin nun deinem Feind ich angetraut:
Des Bundes Knoten lšs mit einem Hiebe,


entfŸhre mich in dein Verlie§, nur angetaut
an deine Liebe Freiheit wird mir glŸcken,
und Keuschheit nur an deinen Liebesblicken.























Jesus hat uns gezeigt, dass wir Menschen unsterblich sein kšnnen. 

  • Ratzinger nennt es "Unsterblichkeit grŸnden",
  • andere sagen meist "vom Tod erlšsen".


Nachdem eIn Mensch in diesem Sinn unsterblich geworden ("auferstanden") ist, sieht er anders aus als vorher, handelt er anders und ist nur fŸr die Menschen erkennbar, die sein Denken nachvollziehen kšnnen. Dann aber kann er uns die neue Welt zeigen: die Welt von morgen.


Glauben in der Welt heute

2. Der Sprung des Glaubens


Text


Hier steht Joseph Ratzingers Text.

Die Angabe der Seite verweist auf den Ort des Textes in seiner Vorlesung.

Mein Kommentar


In dieser Spalte kann man sich ErklŠrungen, Deutungen oder Notizen hinzufŸgen. Als Beispiel habe ich an manchen Stellen notiert, in welchem Sinn ich Joseph Ratzinger verstanden habe. 


Seite 15

Es bedeutet, 

  • dass der Mensch Sehen, Hšren und Greifen nicht als die TotalitŠt des ihn Angehenden betrachtet, 
  • dass er den Raum seiner Welt nicht mit dem, was er sehen und greifen kann, abgesteckt ansieht, 
  • sondern eine zweite Form von Zugang zum Wirklichen sucht, die er eben Glauben nennt, und zwar so, 
  • dass er darin sogar die entscheidende Eršffnung seiner Weltsicht Ÿberhaupt findet. 


Wenn es aber so ist, dann schlie§t das Wšrtchen Credo eine grundlegende Option gegenŸber der Wirklichkeit als solcher ein; es meint nicht ein Feststellen von dem und jenem, sondern eine Grundform, sich zum Sein, zur Existenz, zum Eigenen und zum Ganzen des Wirklichen zu verhalten. Es bedeutet die Option, 

  • dass das nicht zu Sehende, das auf keine Weise ins Blickfeld rŸcken kann, nicht das Unwirkliche ist, 
  • sondern dass im Gegenteil das nicht zu Sehende sogar das eigentlich Wirkliche, das alle Ÿbrige Wirklichkeit Tragende und Ermšglichende darstellt. Und es bedeutet die Option, 
  • dass dieses die Wirklichkeit insgesamt Ermšglichende auch das ist, was dem Menschen wahrhaft menschliche Existenz gewŠhrt, was ihn als Menschen und als menschlich Seienden mšglich macht.


Nochmal anders gesagt:

  • Glauben bedeutet die Entscheidung dafŸr, dass im Innersten der menschlichen Existenz ein Punkt ist, der nicht aus dem Sichtbaren und Greifbaren gespeist und getragen werden kann [besser: gespeist wird], sondern an das nicht zu Sehende stš§t, sodass es ihm berŸhrbar wird und sich als eine Notwendigkeit fŸr seine Existenz erweist.




Das ist ganz analog zur Option fŸr die Naturwissenschaften: Das Wesentliche sind die Naturgesetze hinter den sichtbaren Erscheinungen. 


In den Naturwissenschaften geht man davon aus, dass die Natur sich mit Mathematik beschreiben lŠsst. Man "glaubt" daran. "Glauben" in den Naturwissenschaften bedeutet also "davon ausgehen", "das Denken darauf grŸnden", ohne dass man es schon wŸsste. Mit diesem Glauben hat sich die westliche Zivilisation eine neue Welt geschaffen: die naturwissenschaftlich technische Welt. Am Anfang standen Wissenschaftler wie Galileo, Kepler und Newton. 


Ratzinger entnimmt aus dem Neuen Testament, dass wir uns eine weitere neue Welt erschlie§en kšnnen. Ihre Konturen sind heute ebenso unscharf wie die Konturen der wissenschaftlich-technischen Welt zur Zeit Galileos. Nach meiner Interpretation Ratzingers Darstellung wŠre Jesus dann ein Galileo, ein ReligionsgrŸnder wie Galileo ein BegrŸnder der Naturwissenschaft ist.













Archetypen, Urbilder 

Seite 16: 

Solche Haltung ist freilich nur zu erreichen durch das, was die Sprache der Bibel "Umkehr", "Be-kehrung" nennt. Das natŸrliche Schwergewicht des Menschen treibt ihn zum Sichtbaren, zu dem, was er in die Hand nehmen und als sein Eigen greifen kann. 

  • Er muss sich innerlich herumwenden, um zu sehen, wie sehr er sein Eigentliches versŠumt, indem er sich solcherma§en von seinem natŸrlichen Schwergewicht ziehen lŠsst. 
  • Er muss sich herumwenden, um zu erkennen, wie blind er ist, wenn er nur dem traut, was seine Augen sehen. 

Ohne diese Wende der Existenz, ohne die Durchkreuzung des natŸrlichen Schwergewichts gibt es keinen Glauben. Ja, der Glaube ist die Be-kehrung in der der Mensch entdeckt, dass er einer Illusion folgt, wenn er sich dem Greifbaren allein verschreibt. 


Dies ist zugleich der tiefste Grund, warum Glaube nicht demonstrierbar ist: Er ist eine Wende des Seins, und nur wer sich wendet, empfŠngt ihn. Und weil  unser Schwergewicht nicht aufhšrt, uns in eine andere Richtung zu weisen, deshalb bleibt er als Wende tŠglich neu, und nur in einer lebenslangen Bekehrung kšnnen wir innewerden, was es hei§t, zu sagen: 

  • Ich glaube. Von da aus ist es zu verstehen, dass Glaube nicht erst heute und unter den spezifischen Bedingungen unserer modernen Situation problematisch, ja nahezu etwas unmšglich Scheinendes ist, sondern dass er, vielleicht etwas verdeckter und weniger leicht erkennbar, dennoch immer schon das Springen Ÿber eine unendliche Kluft, nŠmlich aus der dem Menschen sich aufdrŠngenden Greifbarkeitswelt, bedeutet: 
    • Immer schon hat Glaube etwas von einem abenteuerlichen Bruch und Sprung an sich, weil er zu jeder Zeit das Wagnis darstellt, das schlechthin nicht zu Sehende als das eigentlich Wirkliche und Grundgebende anzunehmen. 

Nie war Glaube einfach die dem GefŠlle des menschlichen Daseins von selbst zu-fallende Einstellung; 

  • immer schon war er eine die Tiefe der Existenz anfordernde Entscheidung, die allzeit ein Sichherumwenden des Menschen forderte, das nur im Entschluss erreichbar ist.


ErklŠrung ist fŸr den Naturwissenschaftler evident.









Bekehrung analog zur Hinwendung zu den Naturwissenschaften




des Seins = des Denkens

Seiten 36 - 38

Was ist das eigentlich, das Glauben? Darauf kŏnnen wir jetzt antworten: Es ist

  • die nicht auf Wissen reduzierbare, dem Wissen inkommensurable Form des Standfassens des Menschen im Ganzen der Wirklichkeit, 
  • die Sinngebung, 
    • ohne die das Ganze des Menschen ortlos bliebe, 
    • die dem Rechnen und Handeln des Menschen vorausliegt und 
    • ohne die er letztlich auch nicht rechnen und handeln kŏnnte, weil er es nur kann im Ort eines Sinnes, der ihn trŠgt [seine Basis ist].


Denn in der Tat: der Mensch lebt nicht vom Brot der Machbarkeit allein, er lebt als Mensch und gerade in dem Eigentlichen seines Menschseins 

  • vom Wort, 
  • von der Liebe, 
  • vom Sinn . 

Der Sinn ist das Brot, wovon der Mensch im Eigentlichen seines Menschseins besteht. 



Ohne das Wort, ohne den Sinn, ohne die Liebe kommt er in die Situation des Nicht-mehr-leben-Kŏnnens, selbst wenn irdischer Komfort im †berfluss vorhanden ist. Wer wŭsste nicht, wie sehr diese Situation des "Ich kann nicht mehr" inmitten des Šu§eren †berflusses auftauchen kann? 


Sinn aber ist nicht abkŭnftig von Wissen [sondern geht ŭber das Wissen hinaus]. Ihn auf diese Art, das hei§t aus dem Beweiswissen der Machbarkeit, herstellen zu wollen entsprŠche dem absurden Versuch Mŭnchhausens, sich selbst an den Haaren aus dem Sumpf ziehen zu wollen. Ich glaube, dass in der AbsurditŠt jener Geschichte die Grundsituation des Menschen sehr genau zum Vorschein kommt. Aus dem Sumpf der Ungewissheit, des Nicht-leben-Kŏnnens zieht sich niemand selbst empor, ziehen wir uns auch nicht, wie Descartes noch meinen konnte, durch ein "Cogito ergo sum", durch eine Kette von Vernunftschlŭssen, heraus. 


Sinn, der selbstgemacht ist, ist im Letzten kein Sinn. 


  • Sinn, das hei§t der Boden, worauf unsere Existenz als ganze stehen und leben kann, kann nicht gemacht, sondern nur empfangen werden. 


Damit sind wir, von einer ganz allgemeinen Analyse der Grundhaltung Glaube ausgehend, unmittelbar bei der christlichen Weise des Glaubens angelangt. 


  • Christlich glauben bedeutet ja, sich anvertrauen dem Sinn, der mich und die Welt trŠgt; ihn als den festen Grund nehmen, auf dem ich furchtlos stehen kann. [trŠgt = die Basis bietet]


Etwas mehr in der Sprache der Tradition redend kŏnnten wir sagen: 

  • Christlich glauben bedeutet unsere Existenz als Antwort verstehen auf das Wort, den Logos, der alle Dinge trŠgt und hŠlt. 
  • Er bedeutet das Jasagen dazu, dass der Sinn, den wir nicht machen, sondern nur empfangen kŏnnen, uns schon geschenkt ist, sodass wir ihn nur zu nehmen und uns ihm anzuvertrauen brauchen. 
  • Dementsprechend ist christlicher Glaube die Option dafŭr, dass das Empfangen dem Machen vorangeht - womit das Machen nicht abgewertet oder gar fŭr ŭberflŭssig erklŠrt wird. Nur weil wir empfangen haben, kŏnnen wir auch "machen". 
  • Und  weiterhin: Christlicher Glaube - wir sagten es schon - bedeutet die Option dafŭr, dass das Nichtzusehende wirklicher ist als das zu Sehende. Er ist das Bekenntnis zum Primat des Unsichtbaren als des eigentlich Wirklichen, das uns trŠgt und daher ermŠchtigt, mit gelŏster Gelassenheit uns dem Sichtbaren zu stellen - in der Verantwortung vor dem Unsichtbaren als dem wahren Grund aller Dinge. 
  • Insofern ist freilich - man kann es nicht leugnen - christlicher Glaube in doppelter Hinsicht ein Affront gegen die Einstellung, zu der uns die heutige Weltsituation zu drŠngen scheint. 
    • Als Positivismus und als PhŠnomenologismus lŠdt sie uns ein, uns auf das "Sichtbare", das "Erscheinende" im weitesten Sinn des Wortes zu beschrŠnken, die methodische Grundeinstellung, der die Naturwissenschaft ihre Erfolge verdankt, aufs Ganze unseres Wirklichkeitsbezugs auszudehnen. 
    • Als Techne hinwiederum fordert sie uns auf, uns auf das Machbare zu verlassen und davon den Boden zu erhoffen, der uns trŠgt. Der Primat  des Unsichtbaren vor dem Sichtbaren und der des Empfangens vor dem Machen lŠuft stracks dieser Grundsituation zuwider. 


Darauf wohl beruht es, dass uns der Sprung des Sichanvertrauens an das Nichtzusehende heute so schwer wird. Und doch ist die Freiheit des Machens wie diejenige, das Sichtbare durch methodisches Forschen in Dienst zu nehmen, letztlich erst ermŏglicht durch die VorlŠufigkeit, in die christlicher Glaube beides verweist, und durch die †berlegenheit, die er so erŏffnet hat. 
























Sinn im Kosmos ist eine Struktur, ein Prinzip, Logos. Das Logos wird teilweise durch die Mathematik sichtbar gemacht.


Wort = Logos, Sinn. 

Liebe (AffinitŠt) und Sinn sind Verwandte, im Menschen und im Kosmos.

Seite 41

... das Wissen der Funktionalisierbarkeit der Welt, wie es uns das heutige technisch-naturwissenschaftliche Denken gro§artig vermittelt, bringt noch kein Verstehen der Welt und des Seins. Verstehen wŠchst nur aus Glauben. Deshalb ist Theologie als verstehende, logoshafte (= rationale, vernŭnftig - verstehende) Rede von Gott eine Uraufgabe christlichen Glaubens. In diesem Sachverhalt grŭndet auch das durch nichts aufzuhebende Recht des Griechischen im Christlichen. Ich bin der †berzeugung, dass es im Tiefsten kein blo§er Zufall war, dass die christliche Botschaft bei ihrer Gestaltwerdung zuerst in die griechische Welt eintrat und sich hier mit der Frage nach dem Verstehen, nach der Wahrheit verschmolzen hat.


  • Glauben und Verstehen gehŏren nicht weniger zusammen als 
  • Glauben und Stehen, einfach 
    • weil Stehen und Verstehen untrennbar sind. 




Seite 42

[des Glaubens] personaler Charakter:

  • Der christliche Glaube ist mehr als Option fŭr einen geistigen Grund der Welt, 
  • seine zentrale Formel lautet nicht: 
    • "Ich glaube etwas", sondern 
    • "Ich glaube an dich". 
    • Er ist Begegnung mit dem Menschen Jesus und 
    • erfŠhrt in solchem Begegnen den Sinn der Welt als Person.


In Jesu Leben aus dem Vater, in der Unmittelbarkeit und Dichte seines betenden, ja, sehenden Umgangs mit ihm ist er der Zeuge Gottes, durch den hindurch der unberŭhrbare berŭhrbar, der Ferne nahe geworden ist. Und mehr: 

  • Er ist nicht blo§ der Zeuge, dem wir glauben, was er geschaut hat in einer Existenz, die wahrhaft die Wende vollzogen hatte von der falschen Bescheidung aufs Vordergrŭndige in die Tiefe der ganzen Wahrheit hinein; 




  • nein, er ist die Anwesenheit des Ewigen selbst in dieser Welt. 
  • In seinem Leben, in der Vorbehaltlosigkeit seines Seins fŭr die Menschen, ist der Sinn der Welt Gegenwart, 
  • er gewŠhrt sich uns als Liebe, die auch mich liebt und mit solch unfasslichem Geschenk einer von keiner VergŠnglichkeit, keiner  egoistischen Trŭbung bedrohten Liebe das Leben lebenswert macht. 
  • Der Sinn der Welt ist das Du, freilich nur jenes, das nicht selbst offene Frage, sondern der keines anderen Grundes bedŭrfende Grund des Ganzen ist. 
  • So ist der Glaube [die Zuversicht auf] das Finden eines Du, das mich trŠgt und in aller Unerfŭlltheit und letzten Unerfŭllbarkeit menschlichen Begegnens die Verhei§ung unzerstŏrbarer Liebe schenkt, die Ewigkeit nicht nur begehrt, sondern gewŠhrt.


Christlicher Glaube lebt davon, 

  • dass es nicht blo§ objektiven Sinn gibt, 
  • sondern 
    • dass dieser Sinn mich kennt und liebt, 
    • dass ich ihm mich anvertrauen kann mit der GebŠrde des Kindes, das im Du der Mutter all sein Fragen geborgen wei§. 


So ist Glaube, Vertrauen und Lieben letztlich eins, und alle Inhalte, um die der Glaube kreist, sind nur Konkretisierungen der alles tragenden Wende, des "Ich glaube an dich" - der Entdeckung Gottes im Antlitz des Menschen Jesus von Nazareth. 


Freilich hebt dies das Nachdenken nicht auf- das haben wir oben bereits gesehen. 

  • Bist du es wirklich: das hat schon Johannes der TŠufer angstvoll in einer dunklen Stunde gefragt, der Prophet also, der seine Jŭnger selbst zum Rabbi aus Nazareth gewiesen und ihn als den Grŏ§eren bekannt hatte, fŭr den er nur Vorbereitungsdienste leisten konnte. 
  • Bist du es wirklich? Der Glaubende wird immer wieder jenes Dunkel erleben, in dem der Widerspruch des Unglaubens ihn wie ein dŭsteres, unentrinnbares GefŠngnis umgibt und die Gleichmŭtigkeit der Welt, die unverŠndert weitergeht, als ob nichts geschehen wŠre, nur Hohn auf seine Hoffnung zu sein scheint. 
  • Bist du es wirklich - diese Frage mŭssen wir nicht nur stellen aus der Redlichkeit des Denkens heraus und wegen der Verantwortung der Vernunft, sondern auch aus dem inneren Gesetz der Liebe, die den mehr und mehr erkennen mŏchte, dem sie ihr Ja gegeben, um ihn mehr lieben zu kŏnnen. 














Der Gott des Glaubens und der Gott der Philosophen

Seiten 97 ff


Text


Hier steht Joseph Ratzingers Text.

Die Angabe der Seite verweist auf den Ort des Textes in seiner Vorlesung.

Mein Kommentar


In dieser Spalte kann man sich ErklŠrungen, Deutungen oder Notizen hinzufŸgen. Als Beispiel habe ich an manchen Stellen notiert, in welchem Sinn ich Joseph Ratzinger verstanden habe. 


1. Die Entscheidung der frŸhen Kirche fŸr die Philosophie

Ê

Seiten 100 - 101

Das Ende des Mythos und der Sieg des Evangeliums sind, geistesgeschichtlich betrachtet, wesentlich zu erklŠren aus dem gegensŠtzlichen VerhŠltnis, das beide Male 

  • zwischen Religion und Philosophie, 
  • zwischen Glaube und Vernunft 


errichtet worden ist. ... Bereits im Weisheitsbuch, Kapitel 13 bis 15, findet sich der Hinweis auf dieses tšdliche Schicksal der antiken Religion und auf die Paradoxie, die in jener Auseinandertrennung von Wahrheit und Fršmmigkeit liegt. Paulus greift das dort ausfŸhrlich Gesagte in wenigen Versen auf, in denen er das Geschick der antiken Religion aus diesem Zusammenhang der Trennung von Logos und Mythos schildert: 

ãEs ist ja, was an Gott erkennbar ist, unter ihnen offenbar; denn Gott hat es ihnen offenbar gemacht ... Aber, obwohl sie Gott erkannten, haben sie ihm nicht als Gott Ehre und Dank erwiesen ... Sie vertauschten die Herrlichkeit des unvergŠnglichen Gottes mit der Nachbildung eines vergŠnglichen Menschen ...Ò (Ršm 1, 19-23).

Ê

  • Die [alte] Religion geht nicht den Weg des Logos, 
  • sondern verharrt bei dem als wirklichkeitslos durchschauten Mythos. 


Damit war ihr Untergang unvermeidlich; er folgte aus der Abtrennung von der Wahrheit, die dazu fŸhrte, dass sie als blo§e ãinstitutio vitaeÒ, das hei§t als blo§e Lebenseinrichtung und Form der Lebensgestaltung, angesehen wurde. Dieser Situation gegenŸber hat Tertullian in einem gro§artig kŸhnen Wort mit Nachdruck die christliche Position beschrieben, wenn er sagt:

ãChristus hat sich die Wahrheit genannt, nicht die GewohnheitÒ. 


Ich glaube, dass dies einer der wirklich gro§en SŠtze der VŠter-Theologie ist. ... 


Das Christentum hat sich damit entschlossen auf die Seite der Wahrheit gestellt und sich so von einer Vorstellung von Religion abgewandt, die sich damit begnŸgt, zeremonielle Gestalt zu sein, der man schlie§lich auf dem Weg der Interpretation auch irgendeinen Sinn beilegen kann.

Ê

Noch ein Hinweis mag das Gesagte verdeutlichen. Die Antike hatte sich schlie§lich das Dilemma ihrer Religion, ihrer Abgeschiedenheit von der Wahrheit des philosophisch Erkannten, zurechtgelegt in der Idee dreier Theologien, die es gebe: 

  1. physische, 
  2. politische und 
  3. mythische Theologie. 


Sie hatte das Auseinandertreten von Mythos und Logos gerechtfertigt mit der RŸcksicht auf das Empfinden des Volkes und mit der RŸcksicht auf den Nutzen des Staates, insofern mythische Theologie zugleich politische Theologie ermšgliche. 


Anders ausgedrŸckt: 

Sie hatte in der Tat Wahrheit gegen Gewohnheit, NŸtzlichkeit gegen Wahrheit gestellt. Die Vertreter der neuplatonischen Philosophie gingen einen Schritt weiter, indem sie den Mythos ontologisch interpretierten, ihn als Symbol-Theologie auslegten und ihn damit auf dem Weg der Auslegung zur Wahrheit hin zu vermitteln versuchten. 


Aber was nur noch durch Interpretation bestehen kann, hat in Wirklichkeit aufgehšrt zu bestehen. Der menschliche Geist wendet sich mit Recht der Wahrheit selbst zu und nicht dem, was mit der Methode der Interpretation auf Umwegen als mit der Wahrheit noch vereinbar erklŠrt werden kann, selbst jedoch keine Wahrheit mehr hat

Ê

Seite 102

Beide VorgŠnge haben etwas bedrŠngend GegenwŠrtiges an sich. In einer Situation, in der die Wahrheit des Christlichen zu entschwinden scheint, zeichnen sich im Kampf um das Christentum heute gerade die beiden Methoden wieder ab, mit denen einst der antike Polytheismus seinen Todeskampf bestritten und nicht bestanden hat. 

Ê

  • Auf der einen Seite steht 
    • der RŸckzug aus der Wahrheit der Vernunft in einen Bereich 
      • blo§er Fršmmigkeit, 
      • blo§en Glaubens, 
      • blo§er Offenbarung; 
    • ein RŸckzug, der in Wirklichkeit, gewollt oder ungewollt, zugegeben oder nicht, in fataler Weise dem RŸckzug der antiken Religion vor dem Logos, der Flucht vor der Wahrheit in die schšne Gewohnheit, vor der Physis in die Politik gleicht. 


  • Auf der anderen Seite steht 
    • ein Verfahren, das ich abkŸrzend als Interpretationschristentum bezeichnen mšchte. 
      • Hier wird mit der Methode der Interpretation der Skandal des Christlichen aufgelšst und, indem es solcherma§en unanstš§ig gemacht wird, zugleich auch seine Sache selbst 
        • zur verzichtbaren Phrase gemacht, 
        • zu einem Umweg, der nicht nštig ist, um das Einfache zu sagen, das hier durch komplizierte AuslegungskŸnste zu seinem Sinn erklŠrt wird.

Ê

Die ursprŸnglich christliche Option ist demgegenŸber eine durchaus andere. Der christliche Glaube hat - wir sahen es - 

  • gegen die Gštter der Religionen 
  • fŸr den Gott der Philosophen, 

Ê

das hei§t 

  • gegen den Mythos der Gewohnheit 
  • fŸr die Wahrheit des Seins selbst 

optiert. 

Ê

Von diesem Vorgang her rŸhrte der Vorwurf gegen die frŸhe Kirche, dass ihre AnhŠnger Atheisten seien. Er ergab sich daraus, dass in der Tat die frŸhe Kirche die ganze Welt der antiken religio ablehnte, dass sie nichts davon als annehmbar erklŠrte, sondern dies Ganze als leere Gewohnheit, die gegen die Wahrheit steht, beiseite schob.

Ê

Seite 103

Freilich darf auch die andere Seite des Vorgangs nichtÊŸbersehen werden. 

  • Indem der christliche Glaube sich allein fŸr den Gott der Philosophen entschied und diesen Gott folgerichtig als den Gott erklŠrte, zu dem man beten kann und der zum Menschen spricht, hat er diesem Gott der Philosophen eine všllig neue Bedeutung gegeben, ihn dem blo§ Akademischen entrissen und ihn so zutiefst verwandelt. 

Ê

  • Dieser Gott, 
    • der vorher als ein Neutrum dasteht, 
    • als der oberste, abschlie§ende Begriff, 
      • der verstanden ist als das reine Sein oder 
      • der verstanden ist als das reine Denken, 
        • das ewig geschlossen in sich selber kreist und nicht zum Menschen und seiner kleinen Welt hinŸberreicht; 

Ê

  • dieser Gott der Philosophen, 
    • dessen reine Ewigkeit und UnverŠnderlichkeit jede Beziehung zum VerŠnderlichen und Werdenden ausschlie§t, 
    • erscheint nun fŸr den Glauben als der Menschen Gott, 
      • der nicht nur Denken des Denkens,
      • ewige Mathematik des Weltalls, 
      • sondern Agape, Macht schšpferischer Liebe ist.

Ê

Seite 106

Uns scheint es im Letzten immer wieder selbstverstŠndlich, dass das unendlich Gro§e, der absolute Geist, nicht FŸhlen und Leidenschaft, sondern nur reine Mathematik des Alls sein kšnne. 


  • Unreflektiert unterstellen wir,
    • dass blo§es Denken grš§er sei als Lieben, 
  • wŠhrend die Botschaft des Evangeliums und das christliche Gottesbild darin die Philosophie korrigiert und uns wissen lŠsst,
      • dass hšher als das blo§e Denken die Liebe steht. 
      • dass das absolute Denken ein Lieben ist, nicht fŸhlloser Gedanke, sondern schšpferisch, weil es Liebe ist.

Ê

Seite 107

Die hšchste Weise des Seins schlie§t É das Element der Beziehung ein. Man braucht wohl nicht eigens zu sagen, welche Revolution es fŸr die Existenzrichtung des Menschen bedeuten muss, wenn als das Hšchste nicht mehr die absolute, in sich geschlossene Autarkie erscheint, sondern wenn das Hšchste zugleich Bezogenheit ist, schšpferische Macht, die anderes schafft und trŠgt und liebt. . .

Ê

Der Logos aller Welt, der schšpferische Urgedanke, ist zugleich Liebe, ja, dieser Gedanke ist schšpferisch, weil er als Gedanke Liebe und als Liebe Gedanke ist. Es zeigt sich eine UridentitŠt von Wahrheit und Liebe, die da, wo sie voll verwirklicht sind, nicht zwei nebeneinander oder gar gegeneinander stehende Wirklichkeiten, sondern eins sind, das einzig Absolute. An dieser Stelle wird zugleich der Ansatzpunkt des Bekenntnisses zum drei-einigen Gott sichtbar, auf den spŠter zurŸckzukommen sein wird.




Bekenntnis zu Gott heute

Ê

Text


Hier steht Joseph Ratzingers Text.

Die Angabe der Seite verweist auf den Ort des Textes in seiner Vorlesung.

Mein Kommentar


In dieser Spalte kann man sich ErklŠrungen, Deutungen oder Notizen hinzufŸgen. Als Beispiel habe ich an manchen Stellen notiert, in welchem Sinn ich Joseph Ratzinger verstanden habe. 


Seite 112

All unser Denken ist inÊ derÊ Tat nurÊ ein Nachdenken des in der Wirklichkeit schon Vorgedachten. Es kann nur auf eine armselige Art versuchen, jenes Gedachtsein, das die Dinge sind, nachzuvollziehen und darin Wahrheit zu finden. 


Das mathematische WeltverstŠndnis hat hier gleichsam durch die Mathematik des Weltalls hindurch den ÈGott der PhilosophenÇ gefunden mit all seiner Problematik Ÿbrigens, wie sich zeigt, wenn Einstein den Persšnlichen Gottesbegriff immer wieder als ÈanthropomorphÇ zurŸckweist, ihn der ÈFurchtreligionÇ und der Èmoralischen ReligionÇ zuordnet, denen er als das allein Angemessene die Èkosmische ReligiositŠtÇ gegenŸberstellt, die fŸr ihn Èim verzŸckten Staunen Ÿber die Harmonie der NaturgesetzlichkeitÇ, in einem Ètiefen Glauben an die Vernunft des WeltenbauesÇ und in der ÈSehnsucht nach dem Begreifen, wenn auch nur eines geringen Abglanzes der in dieser Welt geoffenbarten VernunftÇ sich auswirkt.

Ê

Seite 113

James Jeans sagt einmal: 

ÈWir entdecken, dass das Weltall Spuren einer planenden und kontrollierenden Macht zeigt, die etwas Gemeinsames mit unserem eigenen, individuellen Geist hat, nicht, soweit wir bis jetzt entdeckt haben, GefŸhl, Moral oder Šsthetisches Vermšgen, sondern die Tendenz, auf eine Art zu denken, die wir in Ermangelung eines besseren Wortes Geometrie genannt habenÇ. 

Ê

Wieder finden wir dasselbe: Der Mathematiker entdeckt die Mathematik des Kosmos, das Gedachtsein der Dinge. Aber nicht mehr. Er entdeckt nur den Gott der Philosophen. 

Ê

Wenn Jeans meint, derlei sei bis jetzt nicht entdeckt worden an jenem Geist, so kann man ihm getrost sagen: Es wird auch von der Physik niemals entdeckt werden und kann es nicht, weil sie bei ihrer Fragestellung wesensmŠ§ig vom Šsthetischen GefŸhl und von der moralischen AttitŸde abstrahiert, die Natur in rein mathematischer Gesinnung befragt und folglich auch nur die mathematische Seite der Natur zu Gesicht bekommen kann. 

Ê

Die Antwort hŠngt nun einmal von der Frage ab. 

Ê

Der Mensch aber, der eine Anschauung des Ganzen sucht, wird viel eher sagen mŸssen:

  • In der Welt finden wir objektivierte Mathematik vor, ohne Zweifel; 
  • in der Welt finden wir aber nicht weniger das unerhšrte und unerklŠrte Wunder des Schšnen vor, oder richtiger:
  • In ihr gibt es VorgŠnge, die dem vernehmenden Geist des Menschen in der Gestalt des Schšnen erscheinen, sodass er sagen muss, der Mathematiker, der diese VorgŠnge konstruiert hat, habe ein unerhšrtes Ma§ an schšpferischer Fantasie entfaltet. 

Ê

Seite 116

Sein ist Gedachtsein. 

  • Die Materie verweist selbst Ÿber sich hinaus auf das Denken als das VorgŠngige und UrsprŸnglichere. 
  • Aber entgegen dem Idealismus, der alles Sein zu Momenten eines umfassenden Bewusstseins werden lŠsst [Mathematik ist die Grundlage, Materie ist daraus abgeleitet], wird der christliche Gottesglaube sagen: 

Das Sein ist Gedachtsein - aber doch nicht so, dass es nur Gedanke bliebe und dass der Schein der SelbstŠndigkeit sich dem nŠher Zusehenden als blo§er Schein erwiese. 

  • Christlicher Glaube an Gott bedeutet vielmehr, [hier kommt der Mensch ins Spiel]
    • dass die Dinge Gedachtsein
      • von einem schšpferischen Bewusstsein [u.a. des Menschen],
      • von einer schšpferischen Freiheit her sind und 
    • dass jenes schšpferische Bewusstsein, das alle Dinge trŠgt, das Gedachte in die Freiheit eigenen, selbstŠndigen Seins entlassen hat. 

Ê

Darin Ÿberschreitet er jeden blo§en Idealismus. 

  • WŠhrend dieser, wie wir eben festgestellt haben, alles Wirkliche als Inhalte eines einzigen Bewusstseins erklŠrt, 
  • ist fŸr die christliche Ansicht das Tragende eine schšpferische Freiheit, die das Gedachte wiederum in die Freiheit eigenen Seins setzt, sodass es 
    • einerseits Gedachtsein eines Bewusstseins und a
    • ndererseits doch wahres Selbersein ist. 

Ê

Damit klŠrt sich zugleich der Kern des Schšpfungsbegriffs:Ê Das Modell, von dem aus Schšpfung verstanden werden muss, istÊ 

  • nicht der Handwerker [Naturwissenschaftler], 
  • sondern der schšpferische Geist, das schšpferische Denken. 

Ê

Zugleich wird sichtbar, dass die Freiheitsidee das Kennzeichen des christlichen Gottesglaubens gegenŸber jeder ArtÊ von Monismus ist. 

  • An den Anfang allen Seins stellt er nicht irgendein Bewusstsein [z.B. Mathematik] sondern eine schšpferische Freiheit, die wiederum Freiheiten schafft. 
  • Insofern kšnnte man in einem hšchsten Ma§e christlichen Glauben als eine Philosophie der Freiheit bezeichnen. 

Ê

   Ê

FŸr ihn bedeutet nicht ein allumfassendes Bewusstsein oder eine einzige MaterialitŠt die ErklŠrung des Wirklichen insgesamt; an der Spitze steht vielmehr eine Freiheit, die denkt und denkend Freiheiten schafft und so die Freiheit zur STRUKTURFORM allen Seins werden lŠsst.

Ê

Seite 117

Wenn demgemŠ§ die christliche Option fŸr den Logos OPTION fŸr einen personhaften, schšpferischen Sinn bedeutet, dann ist sie darin zugleich Option fŸr den Primat des Besonderen gegenŸber dem Allgemeinen. 

  • Das Hšchste ist nicht das Allgemeinste, sondern gerade das Besondere, und 
  • der christliche Glaube ist so vor allem auch OPTION fŸr den Menschen als das unreduzierbare, auf Unendlichkeit bezogene Wesen. 
  • Und darin ist er noch einmal Option fŸr den PRIMAT der FREIHEIT gegenŸber einem Primat kosmisch-naturgesetzlicher Notwendigkeit.

Dabei lŠsst sich zeigen, dass die

  • erste Option - die fŸr den Primat des Logos gegenŸber der blo§en Materie


ohne die zweite und dritte nicht mšglich ist, oder genauer:

  • Die erste bliebe, fŸr sich allein genommen, blo§er Idealismus; 

erst die HinzufŸgung 

  • der zweiten: Primat des Besonderen und
  • der dritten Option: Primat der Freiheit

bedeutet die Wasserscheide zwischen Idealismus und christlichem Glauben ...


Seite 118

[das] bedeutet ..., 

  • dass jenes schšpferische Denken, das wir als Voraussetzung und Grund allen Seins fanden, wahrhaft seiner selbst bewusstes Denken ist und 
  • dass es nicht nur sich selber wei§, sondern seinen ganzen Gedanken wei§. 
  • dass dies Denken nicht nur wei§, sondern liebt; 
  • dass es schšpferisch ist, weil es Liebe ist; 
  • dass es seinen Gedanken, weil es nicht nur denken, sondern lieben kann, in die Freiheit eigenen Seins gesetzt, ihn objektiviert, ins Selbersein entlassen hat. 


So bedeutet dies Ganze, dass jenes Denken seinen Gedanken in seinem Selbersein wei§ und liebt und liebend trŠgt. Womit wir wiederum bei dem Wort sind, auf das unsere "œberlegungen immer wieder zusteuern: Nicht umschlossen werden vom Grš§ten, sich umschlie§en lassen vom Kleinsten, das ist gšttlich


Zum

  • Logos allen Seins, dem Sein, das alles trŠgt  und umschlie§t, 

[tritt nach christlichem VerstŠndnis] 

  • Bewusstsein, 
  • Freiheit und 
  • Liebe.


[Daraus] ergibt sich von selbst, dass das Oberste der Welt nicht die kosmische Notwendigkeit, sondern die Freiheit ist. 


Die Folgen sind sehr weit tragend. 

  • Denn das fŸhrt ja dazu, dass die Freiheit gleichsam als die notwendige Struktur der Welt erscheint, 
  • und dies wieder hei§t, 
    • dass man die Welt nur als unbegreifliche begreifen kann, 
    • dass sie Unbegreiflichkeit sein muss.

Denn wenn der oberste Konstruktionspunkt der Welt eine Freiheit ist, welche die ganze Welt als Freiheit trŠgt, will, kennt und liebt, dann bedeutet dies, dass mit der Freiheit die Unberechenbarkeit, die ihr innewohnt, wesentlich zur Welt gehšrt. 

  • Die Unberechenbarkeit ist ein Implikat der Freiheit; 
  • Welt kann - wenn es so steht - nie vollends auf mathematische Logik zurŸckgefŸhrt werden.
  • Mit dem KŸhnen und Gro§en einer Welt, die von der Struktur der Freiheit gezeichnet ist, ist so aber auch das dunkle Geheimnis des DŠmonischen gegeben, das uns aus ihr entgegentritt. 
  • Eine Welt, die unter dem Risiko der Freiheit und der Liebe geschaffen und gewollt ist, ist nun einmal nicht blo§ Mathematik. Sie ist als Raum der Liebe, Spielraum der Freiheiten und geht das Risiko des Bšsen mit ein. Sie wagt das Geheimnis des Dunkels um des grš§eren Lichtes willen, das Freiheit und Liebe sind.



Ê


















Johannes Kepler, der PhysiknobelpreistrŠger Wolfgang Pauli und der Psychologe Carl Gustav Jung nennen das Schšne "Urbild" oder "Archetyp". In tiefer Meditation, und wenn wir begabt genug sind ("Gottes Gnade erfahren"), gelingt es uns zuweilen, uns mit ihnen zu verbinden und damit komplett Neues zu entdecken. Sobald wir dieses Neue in Worte fassen, bricht unsere Verbindung zu den Urbildern ab.




















































Das erweitert die Stoa, so wie ich sie interpretiert habe, Ÿber die kosmische, naturwissenschaftliche Ebene hinaus hin zu Urbildern, Archteypen. Die zeigen sich zuweilen den Begabten unter uns nach Pauli, Jung und Kepler in der Meditation. Der Raum, den die Meditation zur VerfŸgung stellt, erschlie§t sich der schšpferischen Freiheit, erscheint also unendlich.



Glaube an den dreieinigen Gott


Text


Hier steht Joseph Ratzingers Text.

Die Angabe der Seite verweist auf den Ort des Textes in seiner Vorlesung.

Mein Kommentar


In dieser Spalte kann man sich ErklŠrungen, Deutungen oder Notizen hinzufŸgen. Als Beispiel habe ich an manchen Stellen notiert, in welchem Sinn ich Joseph Ratzinger verstanden habe. 


Seite 123, 124

Es geht darum, dass der Mensch, der mit Christus zu tun bekommt, in seinem Mitmenschen Jesus, der ihm als Mitmensch erreichbar und zugŠnglich ist, auf Gott selbst trifft, nicht auf ein Mischwesen, das sich dazwischenschšbe. 


  • Die Sorge um das wahre Gottsein Jesu hat in der frŸhen Kirche die gleiche Wurzel wie die Sorge um sein wahres Menschsein. 
    • Nur wenn er wirklich Mensch war wie wir, kann er unser Mittler sein, und 
    • nur wenn er wirklich Gott ist wie Gott, erreicht die Vermittlung ihr Ziel. 


Es ist wohl nicht schwer zu sehen, dass hier einfach die Grundentscheidung des Monotheismus, die vorhin beschriebene 


  • Gleichsetzung von Gott des Glaubens und Gott der Philosophen, 


zur Frage steht und ihre Šu§erste SchŠrfe erhŠlt: 

Nur der Gott, der 

  • einerseits der wirkliche Grund der Welt und 
  • andererseits ganz der uns Nahe ist, 

kann Ziel einer der Wahrheit verpflichteten Fršmmigkeit sein. 


So ist aber auch die zweite Grundeinstellung schon benannt: das unabweichliche Stehen zu einer streng monotheistischen Entscheidung, zu dem Bekenntnis: Es gibt nur einen Gott. Es musste auf jeden Fall verhŸtet werden, auf dem Umweg Ÿber den Mittler schlie§lich wieder eine ganze Region von Mittelwesen und damit eine Region von wahrheitslosen Gšttern zu errichten, in der der Mensch anbetet, was nicht Gott ist. 


Die dritte Grundeinstellung lie§e sich bezeichnen als das BemŸhen, der Geschichte Gottes mit dem Menschen ihren Ernst zu  lassen. Das bedeutet: Wenn Gott als Sohn auftritt, der zum Vater Du sagt, ist es kein fŸr den Menschen aufgefŸhrtes Theater, kein Maskenball auf der BŸhne der menschlichen Geschichte, sondern Ausdruck von Wirklichkeit. Der Gedanke eines gšttlichen Schauspiels war in der alten Kirche von den Monarchianern geŠu§ert worden. Die drei Personen seien drei "Rollen", in denen Gott sich uns im Laufe der Geschichte zeigt. 


Hier muss erwŠhnt werden, dass das Wort "Persona" und seine griechische Entsprechung "Prosopon" der Sprache des Theaters zugehšren. Man benannte damit die Maske, die den Schauspieler zur Verkšrperung eines anderen werden lie§. Das Wort wurde zunŠchst von solchen ErwŠgungen her in die Sprache des Glaubens eingebracht und erst von ihm selbst in einem schweren Ringen so umgeprŠgt, dass daraus die der Antike fremde Idee der Person entstand.


Hier geht es doch darum, ob

1.ÊÊÊÊÊ der Mensch in seiner Gottesbeziehung nur mit den Spiegelungen seines eigenen Bewusstseins zu tun hat oder 

2.ÊÊÊÊÊ ihm gegeben ist, wirklich Ÿber sich hinauszugreifen und mit Gott selbst zusammenzutreffen. 

Ê

Die Folgen sind in beiden FŠllen weitreichend: 

(1)ÊÊÊÊÊÊÊÊÊÊÊ Wenn das Erstere zutrifft, ist auch das Gebet nur eine BeschŠftigung des Menschen mit sich selbst, die Wurzel fŸr eigentliche Anbetung ist ebenso abgeschnitten wie fŸr das Bittgebet Р

(2)ÊÊÊÊÊÊÊÊÊÊÊ Wenn die andere Antwort die richtige ist, sind Anbetung und Bitte nicht nur mšglich, sondern geboten, das hei§t ein Postulat des auf Gott hin offenen Wesens Mensch. 

Ê


Seite 126

... Obwohl es zutrifft, dass wir Gott nur in der Spiegelung des menschlichen Denkens erkennen, hat der christliche Glaube daran festgehalten, dass wir in dieser Spiegelung doch eben ihn erkennen. Wenn wir schon nicht aus der Enge unseres Bewusstseins auszubrechen vermšgen, so kann doch Gott in dies Bewusstsein einbrechen und in ihm sich selber zeigen.

Ê

... Die Ausweitung der Grenzen des menschlichen Denkens, die notwendig war, um die christliche Gotteserfahrung geistig zu verarbeiten, stellte sich nicht von selber ein. Sie verlangte einen Kampf, fŸr den auch der Irrtum fruchtbar war; damit folgte sie dem Grundgesetz, dem der menschliche Geist in seinem Voranschreiten allenthalben unterliegt. 

Ê

Subordinatianismus sagt: Gott selbst ist nur ein einziger; Christus ist nicht Gott, sondern nur ein Gott besonders nahes Wesen. ... die Folge ist - wie wir vorhin ausgiebig bedachten -, dass der Mensch von Gott selbst abgeschnitten und ins VorlŠufige versperrt wird. Gott wird gleichsam zum konstitutionellen Monarchen; der Glaube hat nicht mit ihm, sondern nur mit seinen Ministern zu tun. Wer das nicht will, wer wirklich an die Herrschaft Gottes, an das ÈGrš§teÇ im Kleinsten glaubt, wird daran festhalten mŸssen, dass Gott Mensch ist, dass das Sein Gottes und des Menschen ineinander treten,

Ê

... Monarchianismus nimmt den begegnenden Gott ernst, der als Schšpfer und Vater zuerst, als Sohn und Erlšser in Christus dann und endlich als Heiliger Geist auf uns zukommt. Doch werden diese drei Gestalten nur als Masken Gottes betrachtet, die etwas Ÿber uns, aber nichts Ÿber Gott selbst aussagen. So verlockend ein solcher Weg scheint, so fŸhrt er am Ende doch wieder dazu, dass der Mensch nur in sich kreist und nicht bis zum Eigenen Gottes vordringt.

Ê

Seite 128

Recht kšnnen wir von Gott nur reden, wenn wir aufs Begreifenwollen verzichten und ihn als den Unbegriffenen stehenÊ lassen. TrinitŠtslehre kann also nicht ein Begriffenhaben Gottes sein wollen. 

  • Sie ist eine Grenzaussage, 
    • eine verweisende Geste, die ins Unnennbare hinŸberzeigt; 
  • nicht eine Definition, die eine Sache in die FŠcher menschlichen Wissens eingrenzt;
  • nicht ein Begriff, der die Sache ins Zugreifen des menschlichen Geistes geben wŸrde. 

Ê

Seiten 131, - 133

Das Gesetz der KomplementaritŠt gehšrt zum naturwissenschaftlichen Denken:

Ê

  • Dem Physiker wird heute zunehmend bewusst, dass wir die gegebenen RealitŠten, etwa die Struktur des Lichts oder die der Materie Ÿberhaupt, nicht in einer Form von Experiment und so nicht in einer Form von Aussage umgreifen kšnnen, dass wir vielmehr von verschiedenen Seiten her je einen Aspekt zu Gesicht bekommen, den wir nicht auf den anderen zurŸckfŸhren kšnnen. Beides zusammen - etwa die Struktur von Korpuskel und Welle - mŸssen wir, ohne ein Umgreifendes finden zu kšnnen, als Vorgriff auf das Ganze betrachten, das uns als Ganzes in seiner Einheit ob der BeschrŠnkung unseres Blickpunkts nicht zugŠnglich ist. 
  • Was hier im physikalischen Bereich als Folge der Begrenzung unseres Sehvermšgens zutrifft, gilt in noch ungleich hšherem Ma§ von den geistigen Wirklichkeiten und von Gott. Auch hier kšnnen wir immer nur von einer Seite her hinschauen und so je einen bestimmten Aspekt erfassen, der dem anderen zu widersprechen scheint und der doch nur zusammengehalten mit ihm ein Verweis auf das Ganze ist, das wir nicht zu sagen und zu umgreifen vermšgen. Nur im Umkreisen, im Sehen und Sagen von verschiedenen, scheinbar gegensŠtzlichen Aspekten her gelingt uns das HinŸberweisen auf die Wahrheit, die uns doch nie in ihrer GŠnze sichtbar wird. ...
  • Vielleicht wird uns hier der Denkansatz der heutigen Physik eine bessere Hilfe bieten, als die aristotelische Philosophie sie zu geben vermochte. Physik wei§ heute, dass Ÿber die Struktur der Materie nur in AnnŠherungen von verschiedenen AnsŠtzen her gesprochen werden kann. Physik wei§ heute, dass Ÿber die Struktur der Materie nur in AnnŠherungen von verschiedenen AnsŠtzen her gesprochen werden kann. Sie wei§, dass vom jeweiligen Standort des Betrachters das Ergebnis seiner Befragung der Natur abhŠngt. 
  • Warum sollten wir von hier aus nicht auch ganz neu verstehen kšnnen, dass wir in der Frage nach Gott nicht aristotelisch nach einem letzten Begriff suchen dŸrfen, der das Ganze um-greift, sondern gefasst sein mŸssen auf eine Mehrheit von Aspekten, die vom Standort des Beobachters abhŠngen und die wir nicht mehr letztlich zusammenschauen, sondern nur miteinander hinnehmen kšnnen, ohne das Letzte zur Aussage zu bringen? 
  • Wir begegnen hier der verborgenen Wechselwirkung von Glauben und modernem Denken. Dass heutige Physik Ÿber das GefŸge der aristotelischen Logik hinausgehend in dieser Weise denkt, ist doch wohl auch schon Auswirkung der neuen Dimension ihres notwendigen DenkenmŸssens in KomplementaritŠten, die die christliche Theologie eršffnet hat.


Wir wissen heute, dass im physikalischen Experiment der Beobachter selbst in das Experiment eingeht und nur so zu physikalischer Erfahrung kommen kann. [Das Experiment versucht mit einer Schablone, die RealitŠt zu erfassen. Was nicht in die Schablone passt, wird nicht erkannt -Pattern-Matching. Die Schablone wird vom Beobachter, dem Experimentator, gemacht, beruht auf dessen Vorbildung, Modellvorstellung] Das bedeutet, dass es die reine ObjektivitŠt selbst in der Physik nicht gibt, dass auch hier der Ausgang des Experiments, die Antwort der Natur, abhŠngt ist von der Frage, die an sie gerichtet wird. In der Antwort ist immer ein StŸck der Frage und des Fragenden selbst anwesend, sie spiegelt nicht nur die Natur in ihrem In-sich-Sein, in ihrer reinen ObjektivitŠt, sondern gibt auch etwas vom Menschen, von unserem Eigenen wieder, ein StŸck menschlichen Subjektes. 


[D]ies gilt entsprechend abgewandelt von der Gottesfrage ... Den blo§en Beschauer gibt es nicht. Die reine ObjektivitŠt gibt es nicht. Man wird sogar sagen kšnnen: Je hšher ein Gegenstand menschlich steht, je mehr er ins Zentrum des Eigenen hineintrifft und das Eigene des Beschauers mitengagiert, desto weniger ist die blo§e Distanziertheit der reinen ObjektivitŠt mšglich. 

  • Wo immer sich also eine Antwort als leidenschaftslos objektiv gibt, als die Aussage, die endlich Ÿber die Voreingenommenheiten der Frommen hinausgeht und blo§ sachlich wissenschaftlich aufklŠrt, muss man sagen, dass hier der Redende einem Selbstbetrug verfallen ist. 
  • Diese Art von ObjektivitŠt ist nun einmal dem Menschen versagt. Er kann gar nicht als blo§er Beschauer fragen und existieren. Wer versucht, blo§er Beschauer zu sein, erfŠhrt nichts.
  • Auch die Wirklichkeit ÈGottÇ kannÊ nur in den Blick kommen fŸr den, der in das Experiment mit GottÊ eintritt - in das Experiment, das wir Glaube nennen. Nur indem man eintritt, erfŠhrt man; nur indem man das Experiment mitmacht, fragt man Ÿberhaupt, und nur wer fragt, erhŠlt Antwort. 

Ê












[Hier muss der Mensch versuchen, zu den Urbildern Verbindung herzustellen, also eine extrem anspruchsvolle Meditation aufzubauen. Das ist schwieriger, verlangt wesentlich mehr geistige Kraft als rationales, wissenschaftliches Nachdenken, das allein schon langes, intensives Studium voraussetzt.]






































Hier muss der Mensch versuchen, zu den Urbildern Verbindung herzustellen, also eine extrem anspruchsvolle Meditation aufzubauen. Das ist schwieriger, verlangt wesentlich mehr geistige Kraft als rationales, wissenschaftliches Nachdenken, das allein schon langes, intensives Studium voraussetzt.


































































































Hier muss der Mensch versuchen, zu den Urbildern Verbindung herzustellen, also eine extrem anspruchsvolle Meditation aufzubauen. Das ist schwieriger, verlangt wesentlich mehr geistige Kraft als rationales, wissenschaftliches Nachdenken, das allein schon langes, intensives Studium voraussetzt.



Der Glaube als Versuch, Gott zu erkennen, also als Experiment-alias, in dem eine Schablone fŸr Gott hergestellt wird

Seite 146

Wenn Johannes den Herrn als Logos charakterisiert, greift er ein in der griechischen wie jŸdischen Geisteswelt weit verbreitetes Wort auf und Ÿbernimmt damit eine Reihe der darin liegenden VorstellungszusammenhŠnge, die solcherma§en auf Christus Ÿbertragen werden. Vielleicht aber kann man sagen, dass das Neue, das Johannes dem Logosbegriff eingezeichnet hat, nicht zuletzt darin liegt, dass fŸr ihn 

  • "Logos" nicht einfach die Idee einer ewigen RationalitŠt des Seins bedeutet, wie es grundsŠtzlich im griechischen Denken verstanden wurde. 
    • Durch die Anwendung des Begriffs "Logos" auf Jesus von Nazareth erhŠlt dieser Begriff eine neue Dimension. 
    • Er besagt nicht mehr blo§ die Durchwirktheit alles Seins mit Sinn, 
    • sondern er kennzeichnet diesen Menschen: Der, der hier ist, ist " Wort". (ist Existenz, die gŠnzlich Weg und Offenheit ist, s.u.)


[in den folgenden SŠtzen wird nun die Bedeutung von "Wort" erklŠrt]


  • Der, der hier ist, ist Wort; er ist folglich Gesprochensein und damit die reine Beziehung vom Sprechenden her auf die Angesprochenen zu.
  • So ist Logos-Christologie als Wort- Theologie abermals Eršffnung des Seins auf den Gedanken der Beziehung hin. Denn wiederum gilt: Wort ist wesentlich "von jemand anders her" und "auf jemand anders hin", ist Existenz, die gŠnzlich Weg und Offenheit ist.



Seite 162

Jesus hat (immer nach dem SelbstverstŠndnis des im Symbol  sich ausdrŸckenden Glaubens) nicht eine Lehre hinterlassen, die von seinem Ich abzulšsen wŠre, wie man die Ideen gro§er Denker sammeln und wŸrdigen kann, ohne auf die Person des Urhebers einzugehen. Das Symbolum bietet keine Lehre Jesu; man kam offenbar nicht einmal auf den uns so selbstverstŠndlich scheinenden Gedanken, so etwas zu versuchen, weil das wirkende GrundverstŠndnis in eine všllig andere Richtung wies. Desgleichen hat nach dem SelbstverstŠndnis des Glaubens Jesus nicht ein Werk getan, das von seinem Ich unterscheidbar und davon abgetrennt darzustellen wŠre. 


  • (Ihn als den Christus verstehen bedeutet vielmehr, Ÿberzeugt zu sein, dass er sich selbst in sein Wort hineingegeben hat:
    • Hier ist nicht (wie bei uns allen) ein Ich, das Worte macht - er hat sich so mit seinem Wort identifiziert, dass Ich und Wort ununterscheidbar sind: Er ist Wort. 
    • Ebenso ist fŸr den Glauben sein Werk nichts anderes als die Vorbehaltlosigkeit des Sich-selber-Einschmelzens in eben dieses Werk; er tut sich und gibt, sich; sein Werk ist das Geben seiner selbst. 


Karl Barth hat diese Wahrnehmung des Glaubens einmal folgenderma§en ausgedrŸckt: "Jesus ist schlechterdings TrŠger eines Amtes. Er ist also nicht Mensch und dann auch noch TrŠger dieses Amtes ... Es gibt keine neutrale Menschlichkeit Jesu ... Das merkwŸrdige Wort des Paulus 2 Kor 5,16: 


  • "Wenn wir auch Christus nach dem Fleische erkannt haben, so kennen wir ihn doch jetzt nicht mehr<, kšnnte doch auch im Namen aller vier Evangelisten gesprochen sein. Diese waren gŠnzlich uninteressiert an allem, was dieser Mensch au§erhalb seines Christusamtes gewesen sein und getan haben mochte.


Christlicher Glaube, das hei§t Glaube an Jesus als den Christus, ist deshalb wahrhaft "personaler Glaube".


Seite 165

... dann ist also dieser Jesus Christus " Wort"; eine Person aber, die nicht nur Worte hat, sondern ihr Wort und ihr Werk ist, die ist der Logos ("das Wort", der Sinn) selbst; die ist von immer und fŸr immer; die ist der Grund, worauf die Welt steht - wenn wir irgendwo eine solche Person antreffen, dann ist sie jener Sinn, der uns alle hŠlt und von dem wir alle gehalten sind. 


Das gekreuzigte Ich des Herrn ist eine so gefŸllte Wirklichkeit, dass alles andere zurŸcktreten kann. In einem zweiten Schritt wurde dann von dem so gewonnenen Verstehen Jesu her auf seine Worte zurŸckreflektiert. Zu ihrem Erstaunen musste die erinnernde Gemeinde nun feststellen, 

  • dass in Jesu Wort schon dieselbe Zentrierung auf sein Ich vorliegt; 
  • dass seine Botschaft selber, von rŸckwŠrts gelesen, so ist, dass sie immer in dieses Ich, in die IdentitŠt von Wort und Person hineinlŠuft, auf sie zufŸhrt. 



Ê

ÊIII. Jesus Christus

Wahrer Gott und wahrer Mensch


3. Das Recht des christologischen Dogmas

Ê

Text


Hier steht Joseph Ratzingers Text.

Die Angabe der Seite verweist auf den Ort des Textes in seiner Vorlesung.

Mein Kommentar


In dieser Spalte kann man sich ErklŠrungen, Deutungen oder Notizen hinzufŸgen. Als Beispiel habe ich an manchen Stellen notiert, in welchem Sinn ich Joseph Ratzinger verstanden habe. 


Seiten 175 - 182

Der Kšnig ist Sohn, nicht weil er von Gott gezeugt, sondern weil er von Gott erwŠhlt ist. Nicht ein physischer Vorgang ist angesprochen, sondern die Macht des gšttlichen Wollens, das neues Sein schafft. In dem so verstandenen Sohnschaftsgedanken konzentriert sich nun zugleich die Theologie des ErwŠhlungsvolkes Ÿberhaupt. ... in ihm fasst sich die Berufung Israels zusammenf: dass er stellvertretend fŸr Israel steht und das Geheimnis der Verhei§ung, der Berufung, der Liebe in sich vereint, das Ÿber Israel liegt.

Ê

Die Kšnigstheologie, die in einer ersten Stufe aus einer Zeugungs- zu einer ErwŠhlungstheologie umgewandelt worden war, wurde in einem weiteren Schritt aus einer ErwŠhlungstheologie zu einer Theologie der Hoffnung auf den kommenden Kšnig; das Thronorakel wurde immer mehr zu einem Spruch der Verhei§ung,

Ê

An diesem Punkt setzt die Neuverwendung des Textes durch die christliche Urgemeinde an. Wahrscheinlich im Rahmen des Auferstehungsglaubens ist dieses Psalmwort zuerst auf Jesus angewendet worden. Das Geschehen der Auferweckung Jesu von den Toten, an das diese Gemeinde glaubt, wird von den ersten Christen als jener Augenblick begriffen, in dem der Vorgang von Psalm 2 tatsŠchlich Wirklichkeit geworden ist.

Ê

im Gekreuzigten wird fŸr die Glaubenden sichtbar, was der Sinn jenes Orakels, was der Sinn von ErwŠhlung ist: nicht Privileg und Macht fŸr sich, sondern Dienst fŸr die andern. In ihm wird sichtbar, was der Sinn der ErwŠhlungsgeschichte, was der wahre Sinn von Kšnigtum ist, das immer schon Stellvertretung, aReprŠsentation ́ sein wollte. Dass "ReprŠsentieren"bedeutet: fŸr die anderen, sie vertretend, stehen - das gewinnt nun einen verwandelten Sinn. Ihm, dem všllig Gescheiterten, der am Galgen hŠngend kein StŸck Boden mehr unter den FŸ§en hat, um dessen GewŠnder gelost wird und der selbst von Gott preisgegeben scheint, ihm, gerade ihm gilt das Orakel: "Mein Sohn bist du, heute - an dieser Stelle - habe ich dich gezeugt. Fordere von mir und ich gebe dir Všlker zum Erbe und die Welt zum Besitztum".


Die Sohn-Gottes-Idee, die auf diese Weise und in dieser Form, in der Auslegung von Auferstehung und Kreuz durch Psalm 2, in das Bekenntnis zu Jesus von Nazareth eingegangen ist, hat wahrhaftig nichts mit der hellenistischen Idee des gšttlichen Menschen zu tun und ist von ihr her auf keine Weise zu erklŠren. Sie ist vielmehr die zweite Entmythologisierungsstufe der alttestamentlich schon vorentmythologisierten orientalischen Kšnigsidee. Sie bezeichnet Jesus als den wahren Erben des Alls, als den Erben der Verhei§ung, in dem sich der Sinn der Davidstheologie erfŸllt.

Ê

Was wir bei unseren †berlegungen Ÿber den dreieinigen Gott bereits fanden, ergibt sich von einem anderen Ausgangspunkt her wieder: Derjenige, der gar nicht an sich festhŠlt, sondern reine Beziehung ist, fŠllt darin mit dem Absoluten zusammen und wird so zum Herrn. Der Herr, vor dem das All sich beugt, [ist eine] Provokation gegen die Selbstvergottung der politischen Macht.

Ê

Wir blicken hinein in die Gebetserfahrung Jesu, in jene NŠhe zu Gott, die seine Gottesbeziehung von der aller anderen Menschen unterscheidet, die aber dennoch keine ExklusivitŠt will, sondern darauf ausgerichtet ist, die anderen mit aufzunehmen in das eigene GottesverhŠltnis. Sie will sie gleichsam in die eigene Weise des Stehens zu Gott hineinnehmen, sodass sie mit Jesus und in ihm ebenso wie er "Abba" zu Gott sagen kšnnen: Keine Grenze der Ferne soll sie mehr scheiden, sondern jene IntimitŠt soll sie mit umgreifen, die in Jesus Wirklichkeit ist.

Ê

Seite 184

Und gerade darin, dass dieses Sein als Ganzes nichts als Dienst ist, ist es Sohnsein. Insofern ist die christliche Umwertung der Werte hier erst am Ziel angelangt, hier erst wird vollends deutlich, dass der, der sich ganz in den Dienst fŸr die anderen, in die volle Selbstlosigkeit und Selbstentleerung hineingibt, sie fšrmlich wird- dass eben dieser der wahre Mensch, der Mensch der Zukunft, der Ineinanderfall von Mensch und Gott ist.

Ê

Seite 185

Auch hier kommt die Begegnung mit Gott nur im jeweiligen Ereignisblitz zustande, das Sein bleibt davon ausgespart. In solcher Theologie scheint mir eine Art von Verzwei§ung gegenŸber dem Seienden vorzuliegen, die nicht hoffen lŠsst, dass das Sein selbst je Akt werden kšnnte. 

Ê 


Jesus ist sein  Werk. Dahinter steht dann nicht doch noch ein Mensch Jesus, an dem eigentlich nichts geschehen ist. Sein Sein ist reine actualitas des "Von" und "FŸr". 

  • Eben darin aber, dass dieses Sein nicht mehr trennbar ist von seiner actualitas, fŠllt er mit Gott zusammen
  • und ist zugleich der exemplarische Mensch, der Mensch der Zukunft,
  • durch den hindurch sichtbar wird, wie sehr der Mensch noch das zukŸnftige, das ausstehende Wesen ist; 
  • wie wenig der Mensch noch begonnen hat, er selbst zu sein. 



IV. Wege der Christologie

1. Inkarnationstheologie und Kreuzestheologie


Text


Hier steht Joseph Ratzingers Text.

Die Angabe der Seite verweist auf den Ort des Textes in seiner Vorlesung.

Mein Kommentar


In dieser Spalte kann man sich ErklŠrungen, Deutungen oder Notizen hinzufŸgen. Als Beispiel habe ich an manchen Stellen notiert, in welchem Sinn ich Joseph Ratzinger verstanden habe. 


Seite 186

[Da ist] ein Mensch Gott ... und ... damit [ist] zugleich Gott Mensch ist; dies Ungeheuerliche wird ihr das alles Entscheidende. Vor diesem Geschehnis des Einsseins von Mensch und Gott, der Mensch-werdung Gottes, verblassen alle Einzelgeschehnisse, die noch folgten. Sie kšnnen demgegenŸber nur noch sekundŠr sein; das Ineinandertreffen von Gott und Mensch erscheint als das wahrhaft Entscheidende, Erlšsende, als die wirkliche Zukunft des Menschen, auf die schlie§lich alle Linien zugehen mŸssen.

Ê

Seite 187

Inkarnationstheologie tendiert zu einer statischen und zu einer optimistischen Sicht. Die SŸnde des Menschen erscheint leicht als ein Durchgangsstadium von ziemlich untergeordneter Bedeutung. Das Entscheidende ist dann nicht, dass der Mensch in der SŸnde ist und geheilt werden muss, es geht weit Ÿber eine solche Reparation des Vergangenen hinaus und liegt im Zugehen auf den Ineinanderfall von Mensch und Gott.

Ê

Dies Sein ist Exodus, Verwandlung. 

  • So aber muss an dieser Stelle eine sich recht verstehende Seins- und Inkarnationschristologie Ÿbergehen in die Kreuzestheologie, mit ihr eins werden; 
  • umgekehrt muss eine ihr ganzes Ma§ ausmessende Kreuzestheologie zur Sohneschristologie und zur Seinschristologie werden.

Ê


Seite 191, 192

gerade als der exemplarische, als der ma§gebende Mensch Ÿberschreitet er die Grenze des Menschseins; nur so und nur dadurch ist er der wahrhaft exemplarische Mensch. Denn der Mensch ist um so mehr bei sich, je mehr er beim andern ist. 

  • Er kommt nur dadurch zu sich, dass er von sich wegkommt. 
  • Er kommt nur durch den anderen und durch das Sein beim anderen zu sich selbst. 


Der Mensch ist zuletzt auf den anderen, auf den wahrhaft anderen, auf Gott hin bestimmt; er ist um so mehr bei sich, je mehr er bei dem ganz anderen, bei Gott ist. 

Er ist demnach ganz er selbst, 

  • wenn er aufgehšrt hat, in sich zu stehen, sich in sich abzuschlie§en und zu behaupten,   
  • wenn er die reine Eršffnetheit auf Gott hin ist. 


Noch einmal anders gesagt:

  • Der Mensch kommt zu sich, indem er Ÿber sich hinauskommt.
  • Jesus Christus aber ist der ganz Ÿber sich hinausgekommene und so der wahrhaft zu sich gekommene Mensch.

Der Rubikon der Menschwerdung wird zunŠchst Ÿberschritten durch den Schritt vom Animal auf den Logos hin, vom blo§en Leben zum Geist. Aus dem "Lehm" war in dem Augenblick der Mensch geworden, in dem ein Wesen nicht mehr blo§ "da war", sondern Ÿber das Da-Sein und die ErfŸllung seiner BedŸrftigkeit hinaus eršffnet war auf das Ganze. 


  • Aber dieser Schritt, durch den erstmals "Logos", Verstehen, Geist eintrat in diese Welt, ist erst dann erfŸllt, wenn der Logos selbst, der ganze schšpferische Sinn, und der Mensch ineinandertauchen. 
  • Die volle Menschwerdung des Menschen setzt die Menschwerdung Gottes voraus; erst in ihr ist der Rubikon vom "Animalischen" zum "Logischen" definitiv Ÿberschritten und jener Anfang zu seiner hšchsten Mšglichkeit gefŸhrt, der begann, als erstmals ein Wesen aus Staub und Erde Ÿber sich und seine Umwelt hinausblickend Du zu Gott zu sagen vermochte. 
  • Die Eršffnetheit auf das Ganze, aufs Unendliche hin macht den Menschen aus. 
  • Der Mensch ist dadurch Mensch, dass er unendlich hinausreicht Ÿber sich, und 
  • er ist folglich umso mehr Mensch, je weniger er in sich verschlossen, "beschrŠnkt" ist.

Dann ist aber - sagen wir es noch einmal - der am meisten Mensch, ja der wahre Mensch, 

  • der am meisten entschrŠnkt ist, 
  • der das Unendliche - den Unendlichen! - nicht nur berŸhrt, sondern eins mit ihm ist: 
    • Jesus Christus. 
    • In ihm ist der Schritt der Menschwerdung wahrhaft an sein Ziel gekommen.



















































Teilhard de Chardin (Wikipedia)

In seinem philosophischen Hauptwerk 'Der Mensch im Kosmos' unternahm er den Versuch einer Synthese von naturwissenschaftlicher Evolutionstheologie und christlicher Heilsgeschichte. Er sah die gšttliche Schšpfung, den Kosmos, als evolutionŠren Prozess an, in dessen Verlauf sich Materie und Geist von Beginn an als zwei ZustŠnde des einen "Weltenstoffes" in wechselseitiger Beziehung gegenŸberstehen, um schlie§lich im Omegapunkt IdentitŠt zu erlangen, indem sich die Materie im Menschen ihrer selbst bewusst wird.

Seite 194

Im Hintergrund ist dabei der Gedanke mitzuhšren, dass es im Kosmos neben

  • den beiden Ordnungen des unendlich Kleinen und des unendlich Gro§en 
  • eine dritte Ordnung gibt, die die eigentliche Drift der Evolution bestimmt: die Ordnung des unendlich Komplexen. 
    • Sie ist das eigentliche Ziel des aufsteigenden Werdeprozesses; sie erreicht einen ersten Hšhepunkt in der Entstehung des Lebendigen, um dann immer weiter voranzuschreiten zu jenen hochkomplexen Gebilden, die dem Kosmos eine neue Mitte geben: 
    • "So winzig und zufŠllig der Platz auch ist, den die Planeten in der Geschichte der Sternkšrper einnehmen, so bilden sie letzten Endes doch die Lebenspunkte des Universums. Durch sie lŠuft jetzt die Achse, auf sie konzentriert sich von nun an das Streben einer hauptsŠchlich auf die Erzeugung von gro§en MolekŸlen gerichteten Evolution"



Seite 195

... muss entdeckt werden, "dass nichts anderes den Dingen Halt und Zusammenhang gibt als ihre Verflechtung von oben her". Ich glaube, dass man hier vor einer sehr zentralen Aussage steht; 

  • das dynamische Weltbild zerstšrt an dieser Stelle die uns allen so nahe liegende positivistische Vorstellung, die das BestŠndige allein in der "Masse", im harten Stoff sieht.
  • Dass die Welt schlie§lich doch "von oben" her konstruiert und gehalten ist, wird hier auf eine Weise sichtbar, die deswegen so eindrŸcklich ist, weil wir sie so wenig gewšhnt sind. 


Von da aus eršffnet sich der Zugang zu einem weiteren Text,  um hier wenigstens durch das Zusammenlegen von ein paar  Fragmenten die Gesamtsicht Teilhards anzudeuten. 

  • Die universale Energie muss eine denkende Energie sein, soll sie nicht in der Entwicklung weniger weit sein als die Ziele, die von ihrer Wirkung beseelt werden. Und folglich ... heben die kosmischen Wertattribute, mit denen sie sich in unseren modernen Augen umgibt, keineswegs die Notwendigkeit auf, dass wir ihr eine transzendente Form von Persšnlichkeit zuerkennen". 


Von da aus kann nun auch der Zielpunkt der ganzen Bewegung verstanden werden, wie Teilhard ihn sieht: 

  • Die kosmische Drift bewegt sich "in Richtung auf einen unglaublichen, quasi >monomolekularen< Zustand ..., wo jedes Ego ... dazu bestimmt ist, seinen Hšhepunkt in irgendeinem geheimnisvollen Super-Ego zu erreichen". 
  • Der Mensch ist als ein Ich zwar ein Ende, aber die Richtung der Seinsbewegung und seiner eigenen Existenz erweist ihn  zugleich als ein Gebilde, das in ein ""œber-Ich" hineingehšrt, welches ihn nicht auslšscht, aber umgreift; 
  • erst in solcher Vereinigung kann die Form des zukŸnftigen Menschen erscheinen, in der das Menschsein ganz am Ziel seiner selbst sein wird. 



Seite 196

Der Glaube sieht in Jesus 

  • den Menschen, in dem - vom biologischen Schema her gesprochen - gleichsam der nŠchste Evolutionssprung getan ist; 
  • den Menschen, in dem der Durchbruch 
    • aus der beschrŠnkten Art unseres Menschseins, 
    • aus seiner monadischen Verschlie§ung, 

geschehen ist; 

  • jenen Menschen, in dem Personalisation und Sozialisation sich nicht mehr ausschlie§en, sondern bestŠtigen; 
  • jenen Menschen, in dem hšchste Einheit - "Leib Christi", sagt Paulus, ja noch schŠrfer: "Ihr seid ein Einziger in Christus" (Gal 3,28) - und hšchste IndividualitŠt eins sind; 
  • jenen Menschen, in dem die Menschheit ihre Zukunft berŸhrt und in hšchstem Ma§e sie selbst wird, weil sie durch ihn Gott selber berŸhrt, an ihm teilnimmt und so in ihre eigentlichste Mšglichkeit gelangt. 


Von da aus wird der GLAUBE IN CHRISTUS [analog zum Glauben in die Naturwissenschaften]

  • den Beginn einer Bewegung [vergleichbar der Entstehung der Naturwissenschaften] sehen, in der die zerteilte Menschheit immer mehr eingeholt wird in das Sein eines einzigen Adam, eines einzigen "Leibes" - des kommenden Menschen. 
  • Er wird in ihm die Bewegung sehen auf jene Zukunft des Menschen hin, in der er gŠnzlich "sozialisiert", einverleibt in einen Einzigen ist, aber so, dass darin der Einzelne nicht ausgelšscht, sondern ganz zu sich gebracht wird.


Christus als der kommende Mensch [ist] Christus [analog zu Galileo, Kepler oder Newton, BegrŸnder der Natutwissenschaften] als 

  • der kommende Mensch nicht der Mensch fŸr sich, sondern wesentlich der Mensch fŸr die anderen;
  • der Mensch der  Zukunft ist er gerade als der ganz offene. 
  • Der Mensch fŸr sich, der nur in sich stehen will, ist dann der Mensch der Vergangenheit, den wir hinter uns lassen mŸssen, um vorwŠrts zu schreiten [in eine Vorstellungswelt vergleichbar den Natutwissenschaften]. 


Das bedeutet anders ausgedrŸckt: Die Zukunft des Menschen liegt im "Sein-fŸr". Es bestŠtigt sich im Grunde hier noch einmal, was wir als den Sinn der Rede von der Sohnschaft und zuvor schon als den Sinn der Lehre von den drei Personen im einen Gott erkannt haben - der Verweis auf die dynamisch-aktuale Existenz, die wesentlich Offenheit in der Bewegung zwischen Von und FŸr ist. Und noch einmal zeigt sich, dass Christus der ganz offene Mensch ist, bei dem die WŠnde der Existenz abgerissen sind, der ganz ""œbergang" ("Pascha") ist. nicht der Mensch fŸr sich, sondern wesentlich der Mensch fŸr die anderen; der Mensch der  Zukunft ist er gerade als der ganz offene. 


Der Mensch fŸr sich, der nur in sich stehen will, ist dann der Mensch der Vergangenheit, den wir hinter uns lassen mŸssen, um vorwŠrts zu schreiten. Das bedeutet anders ausgedrŸckt: Die Zukunft des Menschen liegt im "Sein-fŸr". 

























Der Mensch fŸr sich, der nur in sich stehen will, ist dann der Mensch der Vergangenheit, den wir hinter uns lassen mŸssen, um vorwŠrts zu schreiten in eine Vorstellungswelt vergleichbar den Natutwissenschaften.

Seite 234

  Machen ...- so unerlŠsslich es ist - [kann] die Leere niemals ausfŸllen, die den Menschen bedroht, wenn er jene absolute Liebe nicht findet, die ihm Sinn, Heil, das wahrhaft Lebensnotwendige gibt. 



Seite 236, 237

Anbetung erfolgt im Christlichen zunŠchst im dankenden Empfangen der gšttlichen Heilstat. Die wesentliche Form des christlichen Kultes hei§t daher mit Recht Eucharistia, Danksagung.


[In der Danksagung] verherrlichen [wir] Gott 

  • nicht, indem wir ihm vermeintlich aus dem Eigenen [Weltlichen, Naturgesetzlichen] geben - als ob es nicht immer schon das Seinige wŠre! [etwa was im Rahmen der Naturgesetze mšglich ist] -, 
  • sondern indem wir uns das Seinige [Erkenntnis, die sich von Archetypen ableitet] schenken lassen und ihn dadurch als den einzigen Herrn anerkennen.


Das Handelnlassen Gottes an uns - das ist das christliche Opfer. 













Indem wir Gott an uns handeln lassen, verlassen wir das biologische Leben, in der Metapher des Todes am Kreuz, und treten in etwas ein, was in der Metapher "ewiges Leben" genannt wird.


Seite 246

Er [Platon] kommt dabei [in "œber den Staat"] zu dem Ergebnis, dass die Gerechtigkeit eines Menschen erst dann vollkommen und bewŠhrt sei, wenn er den Schein der Ungerechtigkeit auf sich nehme, denn dann erst zeige sich, dass er nicht der Meinung der Menschen folgt, sondern allein zur Gerechtigkeit um ihrer selbst willen steht. So muss also nach Platon der wahrhaft Gerechte in dieser Welt ein Verkannter und Verfolgter sein, ja, Platon scheut sich nicht, zu schreiben: "Sie werden denn sagen, dass der Gerechte unter diesen UmstŠnden gegei§elt, gefoltert, gebunden werden wird, dass ihm die Augen ausgebrannt werden und dass er zuletzt nach allen Misshandlungen gekreuzigt werden wird.


... Dass der vollendete Gerechte, als er erschien, zum Gekreuzigten, von der Justiz dem Tod Ausgelieferten, wurde, das sagt uns nun schonungslos, wer der Mensch ist: 

  • So bist du, Mensch, dass du den Gerechten nicht ertragen kannst - dass der einfach Liebende zum Narren, zum Geschlagenen und zum Versto§enen wird. 
  • So bist du, weil du als Ungerechter selbst immer die Ungerechtigkeit des andern brauchst, um dich entschuldigt zu fŸhlen, und also den Gerechten, der dir diese Entschuldigung zu nehmen scheint, nicht brauchen kannst. 
  • Das bist du. Johannes hat dies alles zusammengefasst in dem "Ecce homo" ("Siehe, das ist der Mensch!") des Pilatus, das ganz grundsŠtzlich sagen will: So steht es um den Menschen. Dies ist der Mensch. Die Wahrheit des Menschen ist seine Wahrheitslosigkeit.






3. HauptteilÊ

Der Geist und die Kirche

Zwei Hauptfragen des Artikels vom Geist und von der Kirche


Text


Hier steht Joseph Ratzingers Text.

Die Angabe der Seite verweist auf den Ort des Textes in seiner Vorlesung.

Mein Kommentar


In dieser Spalte kann man sich ErklŠrungen, Deutungen oder Notizen hinzufŸgen. Als Beispiel habe ich an manchen Stellen notiert, in welchem Sinn ich Joseph Ratzinger verstanden habe. 


Seite 312

Aber hat dann die Auferstehung Ÿberhaupt keine Beziehung zur Materie? Und wird der "JŸngste Tag" damit všllig gegenstandslos zugunsten des Lebens, das aus dem Ruf Gottes immer kommt? 


Auf diese letzte Frage haben wir im Grunde mit unseren †berlegungen zur Wiederkunft Christi die Antwort schon gegeben. 

  • Wenn der Kosmos Geschichte ist und 
  • wenn die Materie ein Moment an der Geschichte des Geistes darstellt, 

dann gibt es nicht ein ewiges neutrales Nebeneinander von Materie und Geist, sondern eine letzte "KomplexitŠt", in der die Welt ihr Omega und ihre Einheit findet. 


Dann gibt es einen letzten Zusammenhang zwischen Materie und Geist, in dem sich das Geschick des Menschen und der Welt vollendet, auch wenn wir heute unmšglich die Art dieses Zusammenhanges definieren kšnnen. 


Dann gibt es einen "JŸngsten Tag", in dem das Geschick der Einzelmenschen voll wird, weil das Geschick der Menschheit erfŸllt ist. 


Das Ziel des Christen ist nicht eine private Seligkeit, sondern das Ganze. 

  • Er glaubt an Christus, und 
  • er glaubt darum an die Zukunft der Welt, nicht blo§ an seine Zukunft. 
  • Er wei§, dass diese Zukunft mehr ist, als er selbst erschaffen kann. 
  • Er wei§, dass es einen Sinn gibt, den er gar nicht zu zerstšren vermag. 


Aber soll er darum die HŠnde in den Scho§ legen? 

  • Im Gegenteil - weil er wei§, dass es Sinn gibt, darum kann er und muss er freudig und unverzagt das Werk der Geschichte tun, auch wenn er von seinem kleinen Ausschnitt her das GefŸhl haben wird, es bleibe eine Sisyphusarbeit und der Stein des menschlichen Geschicks werde nur immer neu, Generation um Generation, nach oben gerollt, um ebenso neu immer wieder zu entgleiten und alle BemŸhungen von vorher zuschanden zu machen. 
    • Wer glaubt, wei§, dass es "vorwŠrts" geht, nicht im Kreis. 
    • Wer glaubt, wei§, dass die Geschichte nicht dem Teppich der Penelope gleicht, der immer von neuem gewoben wird, um immer von neuem aufgetrennt zu werden. 
  • Vielleicht werden auch den Christen die AlptrŠume der Furcht vor der Vergeblichkeit Ÿberfallen, aus denen heraus die vorchristliche Welt solche bewegenden Bilder der Angst vor der Fruchtlosigkeit menschlichen Tuns geschaffen hat. 
  • Aber in seinen Alptraum dringt rettend und verwandelnd die Stimme der Wirklichkeit: 
    • "Habt Mut, ich habe die Welt Ÿberwunden" (Jo 16,33). 
    • Die neue Welt, mit deren Darstellung im Bild des endgŸltigen Jerusalem die Bibel schlie§t, ist keine Utopie, sondern Gewissheit, der wir im Glauben entgegengehen. 
    • Es gibt eine Erlšsung der Welt - das ist die Zuversicht, die den Christen trŠgt und die es ihm auch heute noch lohnend macht, ein Christ zu sein.




Version: 23.4.2024

Adresse dieser Seite

Home

Joachim Gruber