Deutscher Bundestag Drucksache 18/5347 18. Wahlperiode 29.06.2015

Antwort der Bundesregierung

auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Harald Ebner, Nicole Maisch, Friedrich Ostendorff, weiterer Abgeordneter und der Fraktion B†NDNIS 90/DIE GR†NENÊ

Ð Drucksache 18/5027 Ð


"Konsequenzen aus der Einstufung von Glyphosat als wahrscheinlich krebserregend durch die Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation und Deutschlands Rolle im laufenden Wiederzulassungsverfahren der EuropŠischen Union"

...


Vorbemerkung der Fragesteller


Ende des Jahres 2015 steht auf Ebene der Europäischen Union (EU) die Entscheidung über einer Zulassungserneuerung für den Herbizidwirkstoff Glyphosat an; Deutschland ist hierbei berichterstattender Mitgliedstaat.


...


Antwort

Die IARC stuft Stoffe nach ihrem grundsätzlichen Gefährdungspotential ein und bewertet nicht das mit dessen Nutzung möglicherweise verbundene tatsächlich vorliegende Risiko. Die Agentur stellt diesen Unterschied in der Präambel ihrer Entscheidungen deutlich heraus [Link?]. Insofern ist die Feststellung des IARC als Formulierung des Bedarfs zur Abklärung der grundsätzlichen Eigenschaften zu verstehen.

[Kommentar von J. Gruber: Aussage des IARC - Quelle: Preamble to the IARC Monographs, A General Principles and Procedures - 2. Objective and scope]
"A cancer 'hazard' is an agent that is capable of causing cancer under some circumstances, while a cancer 'risk' is an estimate of the carcinogenic effects expected from exposure to a cancer hazard. The Monographs are an exercise in evaluating cancer hazards, despite the historical presence of the word 'risks' in the title. The distinction between hazard and risk is important, and the Monographs identify cancer hazards even when risks are very low at current exposure levels, because new uses or unforeseen exposures could engender risks that are significantly higher."


Für die WHO ist das Joint Meeting on Pesticide Residues (JMPR), das die WHO gemeinsam mit der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) betreibt, hingegen für die Risikobewertung von Pflanzenschutzmittelwirkstoffen auf internationaler Ebene zuständig. Das JMPR legt u. a. auch die Rückstandshöchstgehalte für z. B. Pflanzenschutzmittel international fest. Dieses Gremium beurteilt Glyphosat bislang als "nicht krebserregend für Menschen" [Referenz?]

[Kommentar von J. Gruber: Vermutlich bezieht sich diese Aussage auf die Seiten 98 - 103 des vom JMPR als veraltet (im Cache) bezeichenten JMPR Report 178 aus dem Jahr 2004 (im Cache). Dort wird Glyphosat als "No evidence of carcinogenicity in rats or mice" eingestuft, Hervorhebungen hinzugefügt]. Vgl. IPCS INCHEM Result List "JMPR Monographs and Evaluations" - Erklärung der Abkürzungen

Empfehlungen des JMPR mit Bewertung von Glyphosat (24 September 2015):
Pesticide residues in food 2015, Joint FAO/WHO Meeting on Pesticide Residues, ISSN 0259-2517, FAO PLANT PRODUCTION AND PROTECTION PAPER 223, REPORT 2015 - (in cache - excerpt in cache)]

Aktuell bemüht sich die WHO darum, die unterschiedlichen Einstufungen desselben Stoffes durch zwei ihrer Institutionen zu klären [Referenz?].



Anfrage

2. Aus welchen GrŸnden hat sich das Bundesinstitut fŸr Risikobewertung (BfR) Ð im Gegensatz zum US-amerikanischen €quivalent, der Environmental Protection Agency (EPA), die mit mehreren Teilnehmerinnen und Teilnehmern vertreten war Ð nicht an dem Treffen der Arbeitsgruppe der Internationalen Krebsforschungsagentur der WHO (IARC) zur Ermittlung der KanzerogenitŠt von Glyphosat vom 3. bis zum 10. MŠrz 2015 in Lyon beteiligt (vgl. Teilnehmerliste unter www.monographs.iarc.fr/ENG/Meetings/ vol112-participants.pdf), wo die Entscheidung zur Einstufung von Glyphosat als "wahrscheinlich krebserregend beim Menschen" getroffen wurde?


Antwort

Die Einladungen fŸr das Treffen der Arbeitsgruppe der IARC zur Ermittlung der KanzerogenitŠt von Glyphosat vom 3. bis zum 10. MŠrz 2015 in Lyon wurden an ausschlie§lich von IARC ausgewŠhlte Experten versandt. Eine Teilnahme von Experten des BfR wurde nicht angefragt.


Anfrage

3. Falls keine direkte Einladung zu dieser Konferenz vorlag, warum hat kein Mitarbeiter des BfR als Behšrdenvertreter beobachtend teilgenommen, wie das vergleichbare Behšrden (u. a. in den USA und Frankreich) getan haben, und wŠre das nach Auffassung der Bundesregierung nicht vor dem Hintergrund der Rolle des BfR als zentrale Risikobewertungsinstitution des EU- Berichterstatters Deutschland angebracht gewesen, um den neuesten Stand der Debatte zu kennen?


Antwort

Dem BfR lagen die Bewertungen aus der EU, dem WHO-Panel des JMPR und anderer internationaler Behšrden (z. B. aus USA, Brasilien, Australien) vor, aus denen keine Hinweise auf ein kanzerogenes Risiko von Malathion, Diazinon oder Glyphosat ableitbar waren, so dass keine Veranlassung bestand, als Beobachter teilzunehmen.


Da die IARC ausschlie§lich eine gefahrenbezogene EinschŠtzung einer krebserzeugenden Wirkung vornimmt, wŠhrend das Risiko unter BerŸcksichtigung der erwartbaren Exposition fŸr den Menschen durch den WHO-Panel des JMPR bewertet wird, ist die Mitwirkung des BfR in den WHO-Gremien seit Ÿber 15 Jahren auf das JMPR ausgerichtet, weil diese verbindliche Empfehlungen fŸr die Arbeit des Codex Alimentarius erarbeiten.


FrageÊ

4. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass es nicht zu den Kernaufgaben des BfR zŠhlt, sich an Verfahren wie dem des IARC zu beteiligen, obwohl dabei die KanzerogenitŠt eines Wirkstoffs wissenschaftlich eršrtert wird, fŸr den Deutschland auf EU-Ebene Berichterstatter ist?


Antwort

Es gehšrt zu den Kernaufgaben des BfR, sich an den europŠischen Verfahren zur Genehmigung von Pflanzenschutzmittelwirkstoffen und Zulassung von Pflanzenschutzmitteln gemŠ§ Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 zu beteiligen. Eine weitere Kernaufgabe des BfR ist es auch, sich an den europŠischen Verfahren zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien gemŠ§ Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 zu beteiligen und hier gegebenenfalls die KanzerogenitŠt von Pestizidwirkstoffen (fŸr Pflanzenschutzmittel und Biozide) zu bewerten.


Frage

6. Wie erklŠrt die Bundesregierung das Verhalten des BfR, welches bereits am 1. April 2015 seinen Bewertungsbericht (im Rahmen des Neuzulassungsverfahrens) an das Bundesamt fŸr Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) zur Weiterleitung an die EFSA Ÿbersandt hat (www.bfr. bund.de/cm/343/bfr-zuarbeit-im-eu-genehmigungsverfahren-von-glyphosat- abgeschlossen.pdf), ohne die Veršffentlichung der genannten ausstehenden Monographie der IARC abzuwarten (vgl. www.iarc.fr/en/media-centre/ iarcnews/pdf/MonographVolume112.pdf)?


Antwort

Das BfR ist mit der †bermittlung seines revidierten Bewertungsberichtes am 1. April 2015 an das BVL seinen Aufgaben im Rahmen des europŠischen Wiederbewertungsverfahrens von Pflanzenschutzmittelwirkstoffen pflichtgemŠ§ nachgekommen. Das BfR hat in dem revidierten Bericht eine vorlŠufige Bewertung der Publikation der IARC hinsichtlich einer potentiellen kanzerogenen Wirkung von Glyphosat beigefŸgt und empfohlen, dass im gesetzlichen Rahmen eine ausfŸhrliche Bewertung der IARC-Monographie zeitnah veranlasst wird. (www.bfr.bund.de/cm/343/bfr-zuarbeit-im-eu-genehmigungsverfahren-von- glyphosat-abgeschlossen.pdf)


Frage

7. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass der Verzicht auf eine Auswertung der IARC-Monographie fŸr den Bewertungsbericht im Rahmen des EU-Wiederzulassungsverfahrens von Glyphosat vereinbar ist mit der Aussage der Bundesregierung, die Bundesregierung nehme die IARC-Einstufung sehr ernst (vgl. StaatssekretŠrin beim Bundesminister fŸr ErnŠhrung und Landwirtschaft, Dr. Maria Flachsbarth, in der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 25. MŠrz 2015, Plenarprotokoll 18/96)?


Antwort

Die IARC-Einstufung wurde bislang lediglich als kurzer Bericht in der Zeitschrift ãLancetÒ am 20. MŠrz 2015 veršffentlicht. Hierzu hat das BfR eine vorlŠufige Stellungnahme erarbeitet und Ÿber das BVL an die EFSA versandt. Das BfR hat deutlich gemacht, dass alle Beteiligten der beiden Glyphosat bewertenden WHO-Gremien, IARC und JMPR, sowie der zwei zustŠndigen EU-Behšrden, EFSA und ECHA (EuropŠische Agentur fŸr chemische Stoffe), die derzeit strittigen wissenschaftlichen Fragen diskutieren sollten, in der Absicht, die Divergenzen zu beseitigen, bevor die EuropŠische Kommission eine Entscheidung zur weiteren Genehmigung von Glyphosat trifft (www.bfr.bund.de/cm/ 343/loest-glyphosat-krebs-aus.pdf; www.bfr.bund.de/cm/343/bfr-zuarbeit-im-eu- genehmigungsverfahren-von-glyphosat-abgeschlossen.pdf).

Die Bundesregierung nimmt Hinweise im Zusammenhang mit der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln stets ernst.


Mehr ...


Version: 8. Februar 2016
Adresse dieser Seite
Home
Joachim Gruber