Material zur Vollversorgung mit Strom aus Erneuerbaren Energien:
Die Sicht eines Fachfremden

von Joachim Gruber

Zusammenfassung

Mir als in diesem Gebiet Fachfremdem scheint, die These: "Atomausstieg ist klimaverträglich, sicher, bezahlbar" wird quantitativ, d.h. mit Zahlenmaterial,

Vergleiche dazu die Punkte 5 und 6 der Kleinen Anfrage der SPD im Bundestag zu den Aussagen des unten genannten Energiegutachtens.

Außerdem hat das Ökoinstitut e.V. zusammen mit der Prognos AG einen Bericht zu diesem Thema verfaßt: "Modell Deutschland" (im Cache).

Ein bisher vernachlässigtes Problem ist die Energiespeicherung. (Clemens Triebel, Energiespeicher_Batterie - im Cache, Stand Januar 2011)


Norbert Röttgen, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Zeit 5:08 Minuten - 5:45 Minuten im Podcast "Energiekonzept - nein danke?")

1. Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU)

Olav Hohmeyer, 100% erneuerbare Stromversorgung bis 2050: klimaverträglich, sicher, bezahlbar" (im Cache).

Sachverständigenrat für Umweltfragen, "Wege zur 100% erneuerbaren Stromversorgung", Sondergutachten, Januar 2011 (im Cache, Januar 2011), Kurzfassung für Entscheidungsträger (im Cache, August 2011)

100% Alternative kosten zur Zeit 350 Euro/Person und Jahr mehr als unser heutiger Stromenergiemix

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Quelle: Abb. 4-50 in "Wege zur 100% erneuerbaren Stromversorgung", Kurzfassung, SRU-Sondergutachten, Januar 2011 (im Cache, August 2011).

zugrundegelegtes Szenario 2.1a: Tab. 3-6 in SRU-Sondergutachten.

Abbildung: Entwicklung der Stromgestehungskosten (= Investitions- plus Betriebskosten) für 100% Erneuerbare-Energien-Strom (EE-Strom).

Beispiel:

EE-Strom mit Speichern und Leitungsausbau (Szenario 2.1a) würden zur Zeit (Jahr 2010) jede Person in Deutschland 0.9 Euro/Tag mehr kosten als Strom aus unserem heutigen Stromenergiemix.

Berechnungsgrundlage:

Ergebnis: zusätzliche Gestehungskosten für 100% erneuerbaren Strom im Jahr 2010:
(520 109 kWh/Jahr) (0.05 Euro/kWh) / (82 106 Deutsche) = 0.9 Euro pro Person pro Tag.

Szenario 2.1a ("DE-DK/NO 100% SV - 500"), Jahr 2050 (Tab. 3-6 in SRU-Sondergutachten), d.h. 100% Selbstversorgung Deutschlands aus dem Verbund Deutschland - Dänemark/Norwegen, jährlicher deutscher elektrischer Energieverbrauch: 509 TWh/a.
Aufgaben und Eigenschaften

  • Erzeugungskosten: 0.07 Euro/kWh.
  • Ausbau der Kapazitäten gegenüber 2010: Die Leistung der auslaufenden Kernkraftwerke wird im wesentlichen durch Off-Shore Windkraft übernommen.
  • gesamte in Deutschland installierte Kraftwerkskapazität: 163 GWe, Produktion elektrischer Energie: 509 TWh/a.
  • Zusammenschluß von Deutschland, Dänemark und Norwegen.
    • Der Verbund mit Norwegen liefert die notwendigen Speicherkapzitäten zur Glättung des EE-Stroms:
      46 GW Leitung zwischen Norwegen und Dänemark, 42 GW Leitung zwischen Dänemark und Deutschland transportieren 76 TWh/a elektrische Energie zur Glättung.
    • Kein Strom wird von außerhalb dieses Zusammenschlusses gekauft.
  • Entwicklung und Ausbau von Pumpwasser- und Druckluft-Speichern: 1.2 GW und 18.1 GW, 1.0 und 5.7 TWh/a.
    Anmerkung - Wirkungsgrade (UBA, Juli 2010):
    • Pumpspeicher: > 80% (74% gegenw. in Deutschland, deutsche Gesamtleistung: 6.6 GW, deutsche Gesamtspeicherkapazität: 40 GWh).
    • Methanisierung: 75% - 85%.
      Der elektrische Systemwirkungsgrad für die gesamte Kette (Überschussstrom - Wasserstofferzeugung - Methanisierung - Speicherung - Rückverstromung von Methan in GuD-Kraftwerken) liegt bei ca. 35 % (Kapitel 7.3 von UBA).

siehe auch:
Wege zur 100% erneuerbaren Stromversorgung, Sondergutachten, SRU, Januar 2011 (im Cache)

Steinar Bysveen, Executive Vice President, Generation and Industrial Ownership, Statkraft (Statkraft: nach eigenen Angaben "der europaweit größte Produzent erneuerbarer Energie. Der Konzern baut und betreibt Wasser-, Wind-, Gas-, Solar- und Fernwärmekraftwerke und ist zudem ein bedeutender Akteur an den europäischen Energiehandelsbörsen. Darüber hinaus ist Statkraft in der Entwicklung weiterer innovativer Energielösungen tätig, wie z. B. Osmosekraftwerke. 2009 verzeichnete Statkraft einen Umsatz in Höhe von 2,9 Milliarden Euro. Der Konzern beschäftigt etwa 3 400 Mitarbeiter in über 20 Ländern.")

Theo Geers, "Norwegens Wasserkraft soll es möglich machen - Grüne Batterien für Europa", Umwelt und Verbraucher, Deutschlandfunk, 30.8.2011:

Steinar Bysveen: "Um Ihnen ein Beispiel zu geben. Wir haben große Speicher, da können wir den Wasserspiegel 125 m herauf- oder herunterpegeln. Und wenn wir jetzt ein neues Stromkabel nach Deutschland legen würden, würde sich der Pegel in diesem Speichersee um gerade einmal 1 cm verringern, d.h. wir würden es gar nicht merken, weil unsere Speicherbecken so groß sind.

[J. Gruber: wahrscheinlich meint er das geplante 1400 MW Stromkabel zwischen Deutschland und Norwegen.]

Steinar Bysveen: "Die Speicherkapazität bei uns machen etwa die Hälfte aller Speicher in ganz Europa aus. Wir können über 80 TWh speichern. Das entspricht etwa 15 % der gesamten Stromproduktion in Deutschland. Das System ist zudem viel flexibler als in Deutschland, weil es sich um Wasserkraftwerke handelt, die wir sehr leicht herauf- und herunterregulieren können, um die Nachfrage jederzeit abzudecken."

Theo Geers: Sie können binnen Minuten von Null auf Höchstlast hochfahren oder auch die Laufrichtung ändern. Doch was fehlt, sind genügend Seekabel, die den Strom in beide Richtungen transportieren können. Ein neues, zweites Kabel sollte eigentlich schon 2015 in Betrieb gehen, jetzt könnte es sogar bis 2018 dauern.

Steinar Bysveen: "Es würde etwa 1.5 Milliarden Euro kosten, aber es ist eine Investition, die nicht nur Kosten verursacht, sondern auch Einkünfte bringt: Sie können uns mit billigem Strom versorgen, wenn Sie Überschüsse haben, wir können umgekehrt preiswerte Energie liefern, wenn bei Ihnen die Verbrauchsspitzen auftreten."

Theo Geers: Das rechnet sich selbst bei einem Wirkungsgrad von 70 %, weil 30 % der Ursprungsenergie in Norwegen für das Hochpumpen des Wassers verlorengehen. Zudem sind nicht nur Engpässe bei den Speichern bei dem Statkraft-Manager Steinar Bysveen ein Fremdwort. Anders als hierzulande sind in Norwegen die Speicher längst gebaut. Proteste gegen neue Speicherseen wie in Deutschland fürchtet Bysveen im ebenso umweltbewußten Norwegen deshalb nicht.

Steinar Bysveen: "Also für den Stromaustausch sehe ich überhaupt keinen Engpass auf norwegischer Seite. Wenn wir uns aber zum Nettoexporteur aufschwingen würden, dann bekämen wir auch in Norwegen eine Debatte, ob wir neue Reservoire bauen. Das ist die große Frage, die Norwegen bewegt - aber jetzt reden wir über bestehende Speicherseen. Deren Umweltauswirkungen sind minimal, und deshalb sehe ich da auch keinen Engpass."

Blåsjø, 84.5 km2, 1055 m hoch, "The lake has an annual energy generation potential of about 7.8 TWh")

Windgeneratoren (Quelle: Wikipedia, Anteil der Windenergie an der deutschen Stromerzeugung)

Davon muß ein (zweistelliger) Bruchteil in Puffern zwischengespeichert werden, um Stromangebot und -Nachfrage zu synchronisieren.

German Trade & Investment, In Norwegens Wasserkraft fließen weitere Investitionen, 4.3.2011: "Mit einer Jahresproduktion von 120 bis 140 TWh ist Norwegen Europas größter und weltweit siebtgrößter Wasserkraftproduzent. Derzeit werden circa 60% des in Norwegen vorhandenen Wasserkraftpotenzials genutzt. Der Ausbau der Wasserkraft schreitet voran; eine Vielzahl kleinerer Wasserkraftwerke ist geplant." (im Cache)

2. Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES)

Yves-Marie Saint-Drenan, Amany von Oehsen, Norman Gerhardt, Michael Sterner, Stefan Bofinger, Kurt Rohrig "Dynamische Simulation der Stromversorgung in Deutschland nach dem Ausbauszenario der Erneuerbaren-Energien-Branche", IWES 2009 (im Cache)

Woche der maximalen EE-Einspeisung Woche der minimalen EE-Einspeisung

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Quelle: Abbildungen 10-2 und 10-4 in Saint-Drenan et al., 2009 (im Cache)

Glättung der Stromproduktion durch deutsche Pumpspeicher.
Der Bedarf an konventionellen Großkraftwerken, die im Dauerbetrieb Strom produzieren, schrumpft im Jahr 2020 auf etwa die Hälfte. Während heute 43.9 GW konventioneller Kraftwerksleistung mit mehr als 8000 Stunden fast durchgehend im Jahr Strom produzieren können, besteht dann nur noch eine dauerhafte Nachfrage nach 24.5 GW aus konventionellen Kraftwerken. Der übrige Teil des dauerhaften Strombedarfs, der so genannten Grundlast, wird dann durch Erneuerbare Energien und Pumpspeicher gedeckt.


In diesem Zusammenhang von Interesse:
H. Hübert, "Flexibel aktivierbar oder viel zu träge?", Umwelt und Verbraucher, Deutschlandfunk, 3.11.2010 (im Cache)

... "wir haben einen Gradienten von 120 MW pro Minute, [also] im Prinzip: In zehn Minuten kann ich die [Biblis-A-]Leistung komplett von null auf 100 [%] fahren oder auch umgedreht", Norman Hoffmann, Leiter Betriebstechnik, Biblis.

Damit kann allein dieses AKW [Biblis A] innerhalb einer Viertelstunde Schwankungen der Windkraftanlagen in Deutschland abdecken. Das vermehrte Rauf- und Runterfahren der Brennelemente in den Reaktor ist auch seit Längerem gängige Praxis.

Dieses Gegensteuern durch AKWs empfiehlt auch eine Studie von Erlanger Wissenschaftlern des Kernenergieunternehmens Areva NP für die Internationale Zeitschrift für Kernenergie über die Lastwechselfähigkeiten deutscher Kernkraftwerke. Darin sprechen sie zwar den Punkt Materialermüdungen an, rechnen aber mit mindestens 12.000 großen Laständerungen, für die deutsche AKWs ausgelegt seien, ohne dass deren Sicherheitsreserve erreicht würde. Damit könne man rechnerisch 35 Jahre lang täglich Schwankungen in der Windenergieerzeugung ausgleichen.

Olav Hohmeyer, Universität Flensburg, Studie der Universität Flensburg im Auftrag von LichtBlick, 25.8.2010 (im Cache)

Sollte sich der Ausbau der erneuerbaren Energien wie geplant fortsetzen, werden Wind und Sonne in Zukunft immer häufiger die volle Stromnachfrage decken. Atomstrom wird dann nicht mehr benötigt, die Meiler müssen kurzfristig vom Netz. Bei einer Laufzeitverlängerung von 28 Jahren werde es, so das Ergebnis der Studie, ab 2020 bis zur Stilllegung des letzten Meilers zu mindestens 15.800 kurzfristigen AKW-Abschaltungen kommen. Die Atomkonzerne müssten durch diese Produktionsausfälle auf Gewinne in Höhe von 21 bis 80 Milliarden Euro verzichten. ...
Der Grund für die kurzfristigen Abschaltungen ist die unflexible AKW-Technik. Je nach Anlagentyp kann ein Meiler seine Leistung nur auf 50 oder 60 Prozent drosseln. Wird weniger Atomstrom benötigt, muss er ganz vom Netz. Nach einer Komplettabschaltung benötigt ein AKW zudem 50 Stunden, um wieder anzufahren. Steht in dieser Zeit aufgrund veränderter Wetterverhältnisse weniger Wind- und Sonnenstrom zur Verfügung, können die Meiler nicht angemessen reagieren.

Sachverständigenrat für Umweltfragen, "Wege zur 100% erneuerbaren Stromversorgung", Sondergutachten, Januar 2011.

GRIMM (2007, S. 9) gibt den Leistungsgradienten von Kernkraftwerken mit 5 bis 10 % pro Minute an. Diese Aussage gilt für den Teillastbetrieb von Kernkraftwerken. Eine hohe Windenergieeinspeisung über einen längeren Zeitraum kann jedoch das zeitweise Abschalten von Kraftwerken erfordern, die bislang dem Grundlastbetrieb zuzuordnen sind. Bei Kernkraftwerken gehen HUNDT et al. (2009, S. 26). davon aus, dass Kernkraftwerke im Teillastbetrieb bis auf 50 % ihrer Nennleistung abgeregelt werden können. Tritt eine geringere zu bedienende Last auf, muss ein Kernkraftwerk abgeschaltet werden. Eine Analyse historischer Daten zeigt, dass die Leistung von Grundlastkraftwerken (im Wesentlichen Kernkraftwerke und Braunkohlekraftwerke) in der Vergangenheit an Zeitpunkten mit starker Einspeisung von Windstrom nicht unter 46 % reduziert werden konnte (NICOLOSI 2010, S. 15)

Literatur:

  • Grimm, V. (2007): Einbindung von Speichern für erneuerbare Energien in die Kraftwerkseinsatzplanung. Einfluss auf die Strompreise der Spitzenlast. Bochum: Selbstverl. des Lehrstuhls für Energiesysteme und Energiewirtschaft, Ruhr-Universität Bochum. Schriftenreihe des Lehrstuhls für Energiesysteme und Energiewirtschaft 16.
  • Hundt, M., Barth, R., Sun, N., Wissel, S., Voß, A. (2009): Verträglichkeit von erneuerbaren Energien und Kernenergie im Erzeugunsportfolio. Technische und ökonomische Aspekte. Stuttgart: Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung.
  • Nicolosi, M. (2010): Wind Power Integration and Power System Flexibility. An Empirical Analysis of Extreme Events in Germany under the New Negative Price Regime. Köln: Institute of Energy Economics at the University of Cologne. EWI working paper 10/01.

Kompendium Erneuerbarer Energieversorgung

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Quelle: Sterner et al.

M. Sterner et al., "Energiewirtschaftliche Bewertung von Pumpspeicherwerken und anderen Speichern im zukünftigen Stromversorgungssystem" (Endbericht), Fraunhofer Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik, (IWES) Kassel, FuE-Bereich Energiewirtschaft und Netzbetrieb, Februar 2010 (im Cache) - (nach meiner Ansicht ein umfassendes Technik-Kompendium)

  1. Kurzzusammenfassung
  2. Visionen zu zukünftigen Energieversorgungsstrukturen
  3. Ausbauszenario zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien in Deutschland
  4. Modellbeschreibung und Simulation der erneuerbaren Einspeisung
  5. Analyse von Last und erneuerbarer Erzeugung
  6. Bestimmung des Regelenergiebedarfs zum Ausregeln von EE-Prognosefehlern
  7. Veränderung des Lastverlaufs durch Transport und Lastmanagement
  8. Energiewirtschaftliche Einbindung von Pumpspeicherwerken
  9. Marktanalyse von Stromspeichertechnologien
  10. Bedeutung von Speichern für die Versorgungssicherheit
  11. Energiepolitischer Ausblick

siehe auch:

Front Cover

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Quelle: Google Books

M. Sterner, "Bioenergy and renewable power methane in integrated 100% renewable energy: Limiting global warming by transforming energy systems", Dissertation, Universität Kassel, Kassel University Press, 2009

3. Umweltbundesamt

Thomas Klaus, Carla Vollmer, Kathrin Werner, Harry Lehmann, Klaus Müschen, "Energieziel 2050: 100% Strom aus erneuerbaren Quellen", Juli 2010 (im Cache)

Glaettung der Residuallast

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Quelle: Abbildung 7.1 in Umweltbundesamt:

Es wird ein System von im wesentlichen

  • Erneuerbare-Energie-Kraftwerken,
  • Speichern und
  • Lastmanagement
  • vorgeschlagen. Damit ist es möglich, die Last jederzeit auf einem Niveau der Versorgungssicherheit von 99% mit nationalen Kapazitäten zu decken.

    Nach dem Konzept der gesicherten Leistung sind zusätzlich Backup-Kraftwerke mit 14 GW gesicherter Leistung erforderlich, die jedoch in der stundenweisen Simulation während der betrachteten vier Jahre nie eingesetzt werden.

    Primer von J. Gruber


    Version: 9.7.2019

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