U-Boote für Pakistan?
von Otfried Nassauer
Was schwimmt, geht, sagt ein Diktum über die deutsche
Rüstungsexportpolitik, das auf den ehemaligen Bundesaußenminister Hans Dietrich Genscher
zurückgehen soll. Wenns schwimmt, braucht die Bundesregierung nicht
nachzudenken. So lautet heute scheinbar der Leitsatz für die Praxis des deutschen
Rüstungsexports.
Deutsche Firmen um die Kieler Werft HDW verhandeln mit Pakistan über die Lieferung von
drei U-Booten. Drei Boote will Pakistan kaufen und im eigenen Land zusammenbauen. Aus
Deutschland sollen vorgefertigte U-Bootsektionen geliefert werden. Rund 1,2 Milliarden
ist das Geschäft wert. Für mehr als 1 Milliarde soll der deutsche Steuerzahler
bürgen. Das geht aus einer internen Vorlage des Finanzministeriums hervor, die dem
Haushaltsausschuss des Bundestages kürzlich vorgelegt wurde. Schon deren Existenz belegt,
dass die Bundesregierung dem Vorhaben positiv gegenübersteht und HDW unterstützt.
Außenwirtschaftsförderung.
Angeboten wurden Pakistan U-Boote vom neusten Typ U-214. Dieser wurde speziell für den
Export entwickelt. Griechenland und Südkorea haben ihn bereits bestellt, die Griechen ein
erstes Boot erhalten. Die 65 Meter langen Schiffe sind größer als die U-Boote der
Klassen 212A, die die Bundeswehr beschafft. Sie verfügen über einen modifizierten
Brennstoffzellenantrieb (2x120KW statt 9x34KW), der sie von der Außenluft unabhängig
macht. Damit können die Boote deutlich größere Reisen unternehmen und länger tauchen
als konventionelle Diesel-U-Boote. Zudem sind sie kaum zu orten. Die Besatzung ist klein,
27 Soldaten reichen aus. Die U-Boote sind mit acht Torpedorohren des Standardkalibers
533mm ausgerüstet, von denen aus Torpedos, Flugkörper wie die amerikanischen
Sub-Harpoon-Raketen und Minen eingesetzt werden können.
Soweit, so scheinbar ein normales U-Boot-Geschäft. Doch Pakistan ist ein
problematisches Empfängerland. Dem Atomwaffensperrvertrag trat es nie bei. Seit 1998 hat
es Atomwaffen. Der Vater der pakistanischen Atombombe Abdul Q. Khan gilt als
Kopf des internationalen Atomschmuggels, der Nordkorea, Libyen und dem Iran zur Bombe
verhelfen wollte. Pakistan entwickelt erfolgreich Raketen und Marschflugkörper. Es
arbeitet an Nuklearwaffen, die klein und leicht genug sind, damit sie von solchen
Trägersystemen transportiert werden können. Zudem ist das Land innenpolitisch höchst
instabil. Die prowestlich orientierte Militärregierung Musharaf läuft wieder und wieder
Gefahr, von radikalislamischen Kräften gestürzt zu werden. Diese haben starke
Verbündete, bis hinein in den Pakistanischen Geheimdienst ISI.
Zu den Waffen, die Pakistan entwickelt, gehört ein Marschflugkörper namens Babur. Er
wurde 2005 erstmals getestet und soll eine Reichweite von 500 km haben. Nach einem
erneuten Test 2007 ist sogar von 700km Reichweite die Rede. Vermutet wird, dass Pakistan
zu dieser überraschenden Entwicklung befähigt wurde, weil es Tomahawk-Marschflugkörper
auswertete, die bei den Angriffen der USA auf Afghanistan 1998 versehentlich in Pakistan
landeten. Die Babur-Flugkörper sollen eine Tragfähigkeit von 500kg haben und
konventionelle wie nukleare Sprengköpfe tragen können. Noch werden sie nur von Land
gestartet . Eine seegestützte Version ist in Planung. In der pakistanischen Fachpresse
und im Internet wird offen angesprochen, dass die künftigen U-Boote Pakistans mit
Babur-Flugkörpern ausgestattet werden sollen.
Sollen etwa künftig israelische Dolphin-U-Boote und pakistanische U-214, beide Made
in Kiel im Indischen Ozean Jagd auf Grüner Oktober spielen? Womöglich
sogar beide nuklear bewaffnet? Will die Bundesregierung tatsächlich einen Beitrag dazu
leisten, dass der Aufenthalt im Indik für amerikanische Flugzeugträger in Zukunft recht
ungemütlich wird?
Die Bundesregierung wirft solchen Fragen erst gar nicht auf. Sie begründet ihre
Unterstützung für HDW und die Mutterfirma Thyssen Krupp Marine Systems (TKMS) rein
wirtschaftlich: Mit dem Erhalt des Auftrags würde der deutsche Exporteur in die
Lage versetzt, die aktuellen Entwicklungserfolge in der Technik der U-Boot-Fertigung,
speziell in der Brennstoffzellenfertigung zu festigen und langfristig zu sichern. Hinzu
kommen die entsprechenden Beschäftigungswirkungen (...) Und sie deutet an, dass
noch nicht aller Tage Abend ist: Der Auftrag bietet zudem die Chance auf künftige
Aufträge, da die pakistanische Marine angabegemäß an einer langfristigen Partnerschaft
interessiert ist. Das könnte sein. Pakistan möchte später weitere U-Boote und
zeigt sich auch an deutschen Fregatten und Korvetten des Typs MEKO A200 bzw. A100
interessiert. Deren Hersteller, Blohm & Voss, gehört ebenfalls zu TKMS. Wenns
schwimmt, geht in der deutschen Exportkontrolle kein Licht an, sondern das Gehirn aus.
ist freier Journalist und leitet
das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS
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