Klimawandel und globale Gerechtigkeit Herausforderungen für das 21. Jahrhundert
Der Klimawandel trifft Mensch und Natur weltweit in einem Ausmaß, das historisch ohne Beispiel ist. Die Lebensgrundlagen und das Wohlergehen von Millionen Menschen, besonders in den Entwicklungsländern, sind extrem gefährdet.Der Klimawandel ist kein Schicksal; er ist Folge eines Mangels an Verantwortung, ein Mangel an Gerechtigkeit gegenüber den besonders betroffenen Menschen in Entwicklungsländern, den indigenen Völkern, nachfolgenden Generationen und der Schöpfung. Die Bekämpfung des Klimawandels ist der zentrale Prüfstein für eine solidarische Weltgesellschaft; eine Weltgesellschaft, die lernen muss, mit den allen Menschen zur Verfügung stehenden Gemeinschaftsgütern verantwortungsbewusst und gerecht umzugehen.
Hauptforderungen an die internationale Politik zum Klimawandel
- Der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur muss auf unter 2°C gegenüber dem vorindustriellen Niveau begrenzt werden.
- Bei den weltweiten Emissionen von Treibhausgasen muss innerhalb der nächsten 10-15 Jahre eine Trendwende geschafft und bis 2050 müssen (gegenüber 1990) die globalen Emissionen halbiert werden.
- Die Industrieländer müssen ihre Emissionen um mindestens 30% bis 2020 und 80% bis 2050 (gegenüber 1990) verringern. Diese Verpflichtung ist unerlässlich und entspricht dem Verursacherprinzip.
- Die klimapolitische Verantwortung auch der Schwellen- und Entwicklungsländer wächst. Die Industrieländer sollten den Aufbau klimaverträglicher Energiestrukturen dort aktiv unterstützen sowie selbst eine Vorreiterrolle einnehmen.
- Klima- und Energiepolitik müssen zum integralen Bestandteil der Entwicklungspolitik werden, denn nur so können die Überwindung der Armut, die Millenniums-Entwicklungsziele und die Stabilisierung unseres Klimas erreicht werden.
Die Industrieländer sind die Hauptverantwortlichen für eine Entwicklung, bei der im Interesse kurzfristiger materieller Gewinne und einer ressourcenintensiven Lebensweise die ökologischen Begrenzungen missachtet wurden. Daher müssen nach dem Verursacherprinzip die für den Klimawandel verantwortlichen Länder, Unternehmen und Konsumenten für die Klimaschäden und die Kosten der Anpassung in den besonders betroffenen Entwicklungsländern aufkommen. Diese haben zudem ergänzend zu ihren eigenen Anstrengungen Anspruch auf Unterstützung beim Aufbau einer klimaverträglichen Energieversorgung. Dabei geht es nicht um Almosen, sondern um Gerechtigkeit.
(A) Das eigene Haus in Ordnung bringen:
konsequenter Klimaschutz in Deutschland
Vorausschauende und verantwortliche Politik bedeutet, dass Deutschland den Ausstoß der Treibhausgase bis 2020 um 40 Prozent bezogen auf das Niveau von 1990 reduzieren muss. Die Wirtschaft braucht klare, langfristige und verbindliche politische Rahmenbedingungen, um diese Reduktionsziele zu erreichen. Eine konsequente Antwort auf den Klimawandel wird sich wirtschaftlich auszahlen, durch die Schaffung zukunftsfähiger Arbeitsplätze und die Vermeidung von Klimaschäden. Darüber hinaus muss sich Deutschland in der EU für konsequenten Klimaschutz einsetzen.
Wir rufen die Bundesregierung dazu auf, ein neues Klimaschutzprogramm vorzulegen, das folgende zentralen Punkte enthalten sollte:
1. Vorfahrt für Energieeinsparung und effiziente Energienutzung durch
- Verringerung des Stromverbrauchs um jährlich mindestens ein Prozent;
- energetische Sanierung von drei Prozent aller Altbauten pro Jahr.
2. Vorrang für eine Klima schonende, dezentrale Stromerzeugung durch
- die Beendigung der Benachteiligung von Gaskraftwerken im Vergleich zu Kohlekraftwerken im Emissionshandel;
- Verdreifachung des Anteils der hocheffizienten Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung auf Basis erneuerbarer Energien und Erdgas bis 2020;
- ein Moratorium für den Bau neuer Kohlekraftwerke, um den Aufbau einer klimaverträglichen Energieversorgung nicht zu behindern.
3. Ausstieg aus der hochriskanten Kernkraftnutzung durch
- die möglichst schnelle Abschaltung der Atomkraftwerke mindestens nach der Vereinbarung zum Atomausstieg;
- die strenge sicherheitstechnische Überwachung und eine gegebenenfalls notwendige Nachrüstung der Kernkraftwerke in der verbleibenden Restlaufzeit.
4. Zügiger Ausbau der erneuerbaren Energien durch
- eine konsequente Fortführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) im Strombereich;
- ein Fördergesetz für die erneuerbaren Energien im Bereich Gebäudeheizung, -kühlung und Warmwasserbereitung
5. Eindämmung des Emissionswachstums im Verkehr durch
- strenge gesetzliche Verbrauchsgrenzwerte für PKW;
- ein generelles Tempolimit auf Autobahnen (120 km/h);
- eine stärkere staatliche Förderung des Öffentlichen Personenverkehrs;
- die effektive Einbeziehung des Flugverkehrs in den europäischen Emissionshandel;
- die Einführung einer Kerosinsteuer.
6. Nutzung finanzpolitischer Anreize für die Klimapolitik durch
- die Besteuerung von Ressourcen und gleichzeitig eine sozial ausgewogene Senkung von Steuern und Abgaben auf den Faktor Arbeit;
- den konsequenten Abbau klimaschädlicher Subventionen;
- die Versteigerung der Emissionsrechte im Emissionshandel.
(B) Verantwortung in der Welt übernehmen
Als große Industrienation gehört Deutschland zu den Hauptverursachern des Klimawandels. Beim Pro-Kopf-Ausstoß an Treibhausgasen liegt Deutschland um das 2,5fache über dem globalen Durchschnitt. Deutschland erwächst daraus eine globale Verantwortung. Es muss die Entwicklungsländer und die besonders betroffenen Bevölkerungsgruppen in ihren Bemühungen politisch und finanziell unterstützen, Klimaschutz (durch erneuerbare Energien, Energieeffizienz, Walderhalt) und Anpassung an die Folgen des Klimawandels voranzubringen. Gleichzeitig sind rasche Fortschritte in der Armutsbekämpfung notwendig.
Wir rufen die deutsche Bundesregierung zu folgenden Maßnahmen auf:
7. Zusätzliche Finanzierung für Armutsbekämpfung, Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen in Entwicklungsländern durch
- einen verbindlichen Zeitplan, den Anteil der Entwicklungshilfe am Bruttonationaleinkommen auf 0,7% bis 2015 zu erhöhen;
- die Einführung einer Flugticketabgabe, einer Devisentransaktionssteuer sowie am Verursacherprinzip orientierter fiskalpolitischer Instrumente (z.B. die Versteigerung von Zertifikaten im Emissionshandel, Kerosinsteuer).
8. Förderung einer klimafreundlichen Energiepolitik in den Entwicklungsländern durch
- eine aktive Einflussnahme auf nationale und internationale entwicklungspolitische Finanzinstitutionen (KfW, Weltbank, IWF), damit diese ihre Förder- und Anreizpolitik weg von fossilen und nuklearen Energien zugunsten erneuerbarer, dezentraler Energieträger und Energieeffizienztechnologien umgestalten;
- die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen für eine schnelle Verbreitung von Know-how und technischen Fertigkeiten in Entwicklungsländern für erneuerbare Energie- und Energieeffizienztechnologien;
- die kritische Prüfung der Frage, ob und inwieweit eine dauerhafte und sichere Speicherung von Kohlendioxid im geologischen Untergrund zum Klimaschutz in den kohleintensiven Schwellenländern beitragen kann, ohne den Ausbau erneuerbarer Energien und der Energieeffizienz zu behindern.
9. Unterstützung der Entwicklungsländer bei der Bewältigung der Folgen des Klimawandels durch
- die Ausweitung der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit und die Einbeziehung klimapolitischer Ziele in Armutsbekämpfungs- und Entwicklungsstrategien;
- die konsequente Integration von Anpassung und Katastrophenvorsorge in nationale und internationale Maßnahmen der Entwicklungspolitik und ihrer Finanzinstitutionen sowie der Armutsbekämpfung;
- die gezielte Unterstützung lokaler Gemeinschaften und indigener Völker zur eigenständigen Anpassung;
- die konsequente Ausrichtung der deutschen und europäischen Entwicklungs-, Außen- und Handelspolitik auf das gemeinsame Ziel einer wirksamen, nachhaltigen Armutsbekämpfung.