Unter dem Salzstock von Gorleben lagert Gas - eine Tatsache, die schon seit längerem bekannt ist. Sollte jedoch noch mehr Gas gefunden werden, könnte das ein K.O-Kriterium für ein Endlager in Gorleben sein - eine neue Erkenntnis.
Gas im Salzstock Gorleben - von dieser Tatsache hat sich Umweltminister Norbert Röttgen selbst überzeugen können, als er am 2. Dezember in das geplante Atommüllendlager hinab fuhr. Der Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz, Wolfram König, zeigte dem Minister, wo Kohlenwasserstoff aus dem Salz quillt, flüssiges Gas, genau dort, wo hochradioaktiver Müll gelagert werden würde:
"Ja, wenn sie dran riechen, werden sie sehen, wonach es riecht, es ist wie Heizöl."
"Ölig."
"Genau, es ist ein Kohlenwasserstoff, der hier austritt."
Gas in Gorleben - das ist seit Jahrzehnten bekannt. Es gibt im Wesentlichen drei Besorgnis erregende Gasfunde. Der erste ist gewöhnliches Erdgas in 4000 Meter Tiefe, also unter dem Salzstock. Dieses Erdgas wird kommerziell gefördert. Allein dieses Erdgas unter dem Salzstock sei schon Grund genug, im Salzstock kein Endlager einzurichten, sagt Greenpeace. Es gibt aber auch Gas im Salzstock selber, wie Norbert Röttgen mit eigenen Augen gesehen hat, eben dieses leicht entflammbare Kohlenwasserstoffgas. Dieses Gas wurde schon Ende der 60er-Jahre mehrmals entdeckt, damals noch ganz weit unten am Boden des Salzstocks in gut 3000 Meter Tiefe. 1982 dann wurde es plötzlich mitten im Salzstock gefunden, einmal gasförmig und einmal flüssig - und zwar genau dort, wo später mal der hochradioaktive Müll eingelagert werden soll, dort wo es Norbert Röttgen riechen konnte.
Die Frage ist nun: Wie konnte das Gas aus über 3000 Meter tiefe bis auf 800 aufsteigen, mitten rein ins geplante Endlager? Antwort: Durch das Anhydrid, poröses Gestein, das Wasser und Gas transportiert durch den Salzstock. Dieses Transportsystem erklärte der Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz auch Umweltminister Röttgen. Im Salzstock, so der BFS-Präsident...
" ... gibt es Durchgängigkeiten durch den Anhydrid."
"Nach oben?"
"Nach oben."
"Das ist der echte Problemfall dann, ja?"
"Ja, wenn hier im Nahbereich so was existieren würde, wäre das ein No-Go-Punkt für ein Endlager. Das ist dann sozusagen ein K.O.-Kriterium."
Gasleitungen direkt im Endlager wären ein K.O-Kriterium - das sagte der Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz schon am 2.12. - nicht erst jetzt dem Stern. Kohlenwasserstoff ist leicht entflammbar und kann in Verbindung mit Sauerstoff explodieren, sagt der Greenpeace-Experte Matthias Edler - diese Explosionsgefahr sei aber nicht die eigentliche Gefahr des Gases mitten in einem Endlager für hochradioaktiven Atommüll:
"Dieser hochradioaktive Atommüll entwickelt Wärme. Und diese Wärme führt zur Ausdehnung der eingeschlossenen Gase, dadurch zu einem Druckaufbau und durch diesen Druckaufbau entstehen kleine Klüfte und Risse und damit Wege für Gas, Wasser, aber auch für Radionuklide in die Biosphäre. Und das ist genau das, was man in einem Endlager nicht haben will."
Das weiß auch Umweltminister Norbert Röttgen - spätestens seit er bei seinem Besuch in Gorleben, als er den Leiter des Bundesamtes für Strahlenschutz fragte:
"Und auch, wenn es eingeschlossene Kohlenwasserstoffe und Gas sind, können sie sicherheitstechnisch relevant sein?"
"Natürlich. Gase können, wenn sie ausreichend große Drücke erzeugen, auch zu Friktionen, also zu einer Zerstörung der Schutzschicht führen und damit ein erhebliches Sicherheitsproblem darstellen."
Gas unter dem Salzstock, Gas im Salzstock, Gas im Bereich des geplanten Endlagers. Für Norbert Röttgen ist noch zu klären, ob wirklich eine kritische Menge Gas erreicht ist. Diese Frage ist für den Greenpeace-Experten Matthias Edler längst beantwortet:
"Wir haben das Urstromtal der Elbe über dem Salzstock, wir haben Wasser führende Schichten, die direkt über dem Salzstock liegen, wir haben 30 Laugenester allein im ersten aufgefahrenen Erkundungsbereich 1, wir haben Gas in diesem Erkundungsbereich und wir haben große zusammenhänge Gasvorkommen unter diesem Salzstock. Das sollten Gründe genug sein, diesen Standort jetzt endgültig aufzugeben."