Zuflüsse von Laugen und Biosphärenwasser

Laugenzuflüsse zehn Jahre vertuscht
Die Laugenzuflüsse, die sich nicht mehr stoppen ließen, waren im Jahr 1988 aufgetreten. Im Jahr 1990 hatte die niedersächsische Landesregierung eine umfangreiche Gefahrenabschätzung vornehmen lassen, die u.a. die in der Öffentlichkeit bis dahin nicht bekannten Laugenzuflüsse thematisiert.[43] Der Spiegel berichtete, dass der Asse-Betreiber GSF und Bonner Ministerialbeamte Ende 1995 verhinderten, dass das Land die Gefahrenabschätzung für die Schachtanlage Asse veröffentlichte.[44]

Manipulierte Habilitation
Im Jahr 1995 stellten zwei Wissenschaftler [45] am Institut für Tieflagerung der GSF fest,

  • dass die Laugen, die seit 1988 in die Schachtanlage Asse zuflossen, nicht allein aus einem begrenzten Reservoir in der Salzformation kamen. Festgestellt wurde,
  • dass alle 330 Proben aus zwei Komponenten bestanden. Eine dieser Komponenten stammte aus dem Deckgebirge.

Damit war klar, dass es eine direkte Verbindung zu Grundwasser führenden Schichten im Deckgebirge und damit in die Biosphäre gab.

Spätestens jetzt hätte die wissenschaftliche Einrichtung des Bundes, heute Teil der renommierten Helmholtz-Gesellschaft eingestehen müssen, dass alle Annahmen der Vergangenheit hinfällig waren. Was mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen wurde, war nur zehn Jahre nach der Schließung des Bergwerks für weitere Einlagerungen eingetreten.

Als einer der beiden Wissenschaftler seine Arbeit im Rahmen seiner Habilitation veröffentlichen wollte, bekam er ein Schreiben [46] der GSF. Darin wurde er aufgefordert, vor einer Veröffentlichung neue Fassungen von einigen Kapiteln vorzulegen. Einige Informationen der Bergbehörde unterlägen der Vertraulichkeit. Gleiches gelte auch für die auf Wunsch des BMBF hinzugezogenen Sachverständigen. „Dies wurde von uns und vom BMBF ganz besonders auch anlässlich der beiden Fachgespräche und bei allen anderen Erörterungen mit Behörden betont.”

Die Veröffentlichung der Habilitation erfolgte erst im Jahr 2000 in einer Schriftenreihe der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe [47].

  • In dem betreffenden Kapitel ist nicht mehr von der Asse die Rede. Hier wird nur noch quasi exemplarisch von einem Salzstock in Norddeutschland gesprochen.
  • Der Zutritt der Laugen aus dem Deckgebirge wird nicht mehr als belegt dargestellt, sondern nur noch als wahrscheinlich bezeichnet.
  • Mit keinem Wort wird erwähnt, dass die Untersuchung eigentlich ergründen sollte, wie es zu der Desaster eines Atommülllagers kam.

5 Antworten zu Zuflüsse von Laugen und Biosphärenwasser

  1. Einzelheiten zur Auswertung des Grundwasserkontakts der Asse

    I. Unberücksichtigte Anreicherung des radioaktiven Abfalls
    Fachbereich Sicherheit nuklearer Entsorgung des Bundesamts für Strahlenschutz, September 2007: 

    Prüfung von Unterlagen zur Schließung der Schachtanlage Asse II  im Hinblick auf die Anforderungen eines atomrechtlichen Planfeststellungsverfahrens” (im Cache)

    Dort steht im Kapitel 4.3.2.4 “Grundwasserrelevante Aspekte”

    “Zur Bewertung der möglichen Auswirkungen auf den Zustand des oberflächennahen Grundwassers werden in BUCHHEIM, MEYER & STOLZENBERG (2006b) die sich nach Freisetzung aus den Einlagerungsbereichen der Schachtanlage Asse II im Grundwasser einstellenden Konzentrationen modellmäßig berechnet. Hierzu werden

    (*) die Konzentrationen der einzelnen … Stoffe aus dem jeweiligen Inventar der einzelnen Einlagerungsbereiche … mit den jeweils entsprechenden Reduktionsfaktoren rechnerisch verdünnt.
    (*) Die so ermittelten Konzentrationsbeiträge der einzelnen Stoffe werden addiert und die so resultierende Gesamtkonzentration im oberflächennahen Grundwasser mit dem jeweiligen Prüfwert verglichen. ”

    Literatur: 
    BUCHHEIM, B., MEYER, H. & STOLZENBERG, G. (2006b): Prüfung auf Einhaltung der wasserrechtlichen Bestimmungen von chemischen und chemotoxischen Stoffen der eingelagerten Abfälle und Versatzstoffe in der Schachtanlage Asse – Abschlussbericht. – GSF – Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit – Forschungsbergwerk Asse, Dezember 2006. [PU-IX.7 a]

    Wir wissen seit den 1970ger Jahren, daß sich Stoffe bei der Wanderung durch Gestein und Böden anreichern können. Das bleibt in diesem Bericht des Bundesamts für Strahlenschutz unberücksichtigt.

    II. Begrenzung der Folgen des Kontakts mit dem Biosphärenwasser
    Arbeitsgruppe Optionenvergleich (AGO) des Bundesamts für Strahlenschutz, des Projektträgers Forschungszentrum Karlsruhe – Wassertechnologie und Entsorgung und der Sachverständigen der Begleitgruppe Asse II des Landkreises Wolfenbüttel, September 2008:

    Stellungnahme zum Bericht des Helmholtz Zentrum München: Entwicklung und Beschreibung des Konzepts zur Schließung der Schachtanlage Asse“ (im Cache)

    Dort steht im Kapitel 4.3 “Schlussfolgerungen der AGO”

    “Eine Strategie des Einschlusses der Abfälle durch Isolation und Konzentration kann aufgrund 

    (*) des bestehenden Integritätsverlustes der geologischen Barriere und 
    (*) des aus Sicht vom Helmholtz Zentrum München – Deutschen Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt (HGMU) unvermeidlichen Einbringens einer Salzlösung (und damit eines Transportmediums) in den vorhandenen Resthohlraum, 

    nicht gewährleistet werden. Daher stützt sich das Sicherheitskonzept auf die Begrenzung der Folgen dieser beiden Randbedingungen. Die Freisetzung von Schadstoffen soll durch chemische (Mg-Depots) und geotechnische Maßnahmen (Strömungsbarrieren) begrenzt und behindert werden. ”

  2. Vertrauen Sie uns Nuklearexperten wie Ihren Finanzexperten!

    Die Finanzwelt macht(e) ganz ähnliche Fehler wie das nukleare Establishment:
    Maximilian Schönherr, “Geld, Gauß, Ruin – Die Rolle der Finanzmathematik in der Wirtschaftskrise“, Wissenschaft im Brennpunkt, 4.7.2010, Deutschlandfunk (Transskript)

    • Gabriele Heinen-Kljajic, GRÜNE: Unbelehrbare Wissenschaftler von Endlagerforschung ausschließen, 31.1.2011

      “Es ist erschreckend, wie wenig Lehren aus dem Debakel gezogen werden”, sagte die Grünen-Politikerin am Montag (31.1.2011) in Hannover. Mit Verweis auf ein aktuelles Interview mit dem ehemaligen wissenschaftlichen Leiter der Asse, Professor Brewitz, sprach Heinen-Kljajic von einer “dreisten Flucht vor der Verantwortung.” Wissenschaftler dieser Couleur seien offenbar ohne jede Einsicht und jedes Schuldgefühl. “Wenn sich das Land bei der Endlagerforschung stärker engagieren will, muss es dies um der Glaubwürdigkeit willen ohne Leute wie Brewitz tun”, sagte die Grünen-Politikerin.

  3. In den USA gibt es seit den 1970ger Jahren einen gesetzlichen Schutz für Angestellte, die ihre Besorgnisse über Fehler im System (“Whistleblower“) äußern.

    Legislative History of Whistleblower Protection Laws

    pp 142 – 144 of
    Stephen M. KohnConcepts and Procedures in Whistleblower Law“, Quorum Books, 2000

    The first environmental whistleblower protection law, the employee protection provision of the Water Pollution Control Act (WPCA), was passed in 1972. … After passage of the WPCA whistleblower protection law, Congress passed six other environmental and nuclear whistleblower laws [the latter as Section 210 of the Energy Reorganization Act, 42 U.S.C. paragraph 5851] all modeled after the WPCA provision.

    Protected whistleblowing “may expose not just private harm but health and safety hazards to the public.” The Secretary of Department of Labor (SOL) has noted the “magnitude of the potential hazards” implicated in the concerns whistleblowers disclose and the consequential importance of keeping “open channels of communication regarding potential safety and quality violations.”

    … Congress’ intent in passing the nuclear whistleblower protection act was to “encourage employees” to report “unsafe practices in one of the most dangerous technologies mankind has invented.”

    … “If employees are coerced and intimidated into remaining silent when they should speak out, the results can be catastrophic. Recent events here and around the world underscore the realization that such complicated and dangerous technology can never be safe without constant human vigilance. The employee protection provision … thus serves the dual function of protecting both employees and the public from dangerous radioactive substances.”

  4. In den USA ist der Whistleblower auch durch das Strafrecht geschützt:

    Criminal Sanctions for Retaliation
    pp 157 – 161 of
    Stephen Martin Kohn, Michael D. Kohn, David K. Colapinto “Whistleblower Law: a Guide to Legal Protections for Corporate Employees“, Greenwood Publishing, 2004

    Sarbanes-Oxley Act

    The Sarbanes-Oxley [SOX] Act does not merely provide whistleblowers with a traditional employment discrimination remedy within the U.S. Department of Labor or a federal court. The Act contains two very strong enforcement-related provisions that actually criminalize retaliation against whistleblowers:

    • The first provision, contained in Section 1107 of the Act, amended the federal obstruction of justice statute and specifically criminalized retaliation against certain whistleblowers.
    • The second provision, contained in Section 3(b)(1) of the Act, makes the violation of any of the whistleblower protection provisions within the Sarbanes-Oxley also a violation of the Securities Exchange Act of 1934. This provision also criminalizes discrimination against whistleblowers and permits the SEC [Securities Exchange Commission] to independently enforce the whistleblower provisions of the Act.

      … The penalties provided for under the Securities Exchange Act of 1934 are steep. Section 32 of the Act provides significant criminal penalties for any “willful” violation of the law, including 20 years in prison and a $5 million fine for each violation. In addition to criminal penalties, various sections of the Securities Exchange Act of 1934 provide authority for the SEC to investigate and punish persons who violate the Act.

    Atomic Energy Act

    …Subjecting corporations that discriminate against whistleblowers to multiple penalties is not without precedent. Under the Atomic Anergy Act,

    1. whistleblowers are entitled to file employment discrimination cases within the U.S. Department of Labor under procedures nearly identical to the SOX law.
    2. Additionally, the Nuclear Regulatory Commission [NRC] has implemented regulations that also prohibit discrimination against whistleblowers as a safety hazard. Under the NRC regulations codified as 10 C.F.R 50.7, utilities that discriminate against whistleblowers can be criminally prosecuted for willful violations of the Atomic Anergy Act and can be subject to various administrative sanctions – including civil penalties and license revocation.
      In fact, the NRC regularly investigates whistleblower-discrimination cases and regularly fines utilities that are found to have violated the rights of employee-whistleblowers.

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